Vor 175 Jahren wurde Automobil-Pionierin Bertha Benz geboren
Wie Bertha Benz den Patent-Motorwagen ihres Mannes Carl von Mannheim nach Pforzheim fuhr – und damit die erste Fernfahrt weltweit per Automobil unternahm.
Als Bertha Benz im August des Jahres 1888 mit ihrem pferdelosen, dreirädrigen Wagen – die zwei halbwüchsigen Söhne rechts und links auf dem Sitz – über das Kopfsteinpflaster durch Heidelberg holperte, erregte sie Aufsehen. Die Leute liefen auf der Straße zusammen. Was war das für ein seltsames Gefährt? Noch dazu gesteuert von einer Frau, die offensichtlich ohne ihren Mann unterwegs war?
Doch Aufsehen – das war genau das, was Bertha für ihre 106 Kilometer lange Fahrt von Mannheim nach Pforzheim benötigte: Sie brauchte Werbung. Da der Patent-Motorwagen ihres Mannes Carl nicht die erhoffte positive Aufnahme bei den Kunden gefunden hatte, unternahm sie kurzerhand und ohne das Wissen ihres Gatten die Tour und fuhr drei Tage später über eine andere Route wieder zurück. Es war die erste Fernfahrt weltweit per Automobil.
Sie brachte für die Firma ihres Mannes langfristig den erhofften Aufschwung, auch wenn die Leute noch lange den Kopf schüttelten über diesen Verrückten mit seinem Wagen, “der wo ohne Gail laaft”, also ohne Pferde. Vor 175 Jahren, am 3. Mai 1849, wurde Automobilpionierin Bertha Benz geboren.
Die Fahrt verlief nicht ohne Zwischenfälle. Alle 20 Kilometer musste das Kühlwasser nachgefüllt werden, aus Dorfbrunnen, Gasthäusern, aus dem Straßengraben. Die Ketten sprangen aus den Zahnrädern, ein Dorfschmied half. Dann ging Bertha der Treibstoff aus, und sie machte an einer Apotheke in Wiesloch bei Heidelberg halt, um den Tank mit dem Leichtbenzin Ligroin aufzufüllen.
Der Apotheker dachte zunächst, es ginge um Fleckenentfernung – schließlich stand eine Frau vor ihm, noch dazu eine, deren Rock durch die offene Fahrt auf schmutzigen Straßen nicht gerade sauber aussah. Aber die Menge, die sie erwerben wollte – zehn Liter – passte nicht zu dieser Theorie.
Auf seine verblüfften Blicke hin soll Bertha gesagt haben: “Nicht waschen – tanken!” So legt es jedenfalls ein Werbefilm nahe, den Mercedes Benz über Bertha drehte. Noch heute erinnert ein Denkmal vor der Apotheke an den Halt des Automobils. Sie gilt damit als erste Tankstelle der Welt. Bis weit ins 20. Jahrhundert konnte man Benzin und andere Treibstoffe nur in Apotheken erwerben.
Auch erfinderisch soll Bertha gewesen sein. So überstand sie gleich zwei Pannen, die sie und die Söhne Eugen und Richard auf offener Strecke ereilten. Das eine Mal war die Benzinleitung verstopft – da half die Hutnadel. “Und als die Zündung versagte, musste mein – es sei ausgesprochen – mein Strumpfband als Isoliermaterial dienen”, beschrieb Bertha später die Reparatur, wie Biografin Dorothea Keuler sie in ihrem Buch “Provokante Weibsbilder” zitiert.
Auf der Rückfahrt, bei der es bergauf ging und geschoben werden musste, bekam Bertha Probleme mit den Bremsklötzen. Sie suchte sich einen Schuster, der die Bremsklötze mit Leder beschlug, um die Lebensdauer zu erhöhen. Bertha Benz gilt damit auch als Erfinderin der Bremsbeläge.
“Leider wieder ein Mädchen” trug Berthas enttäuschte Mutter nach deren Geburt in die Familienbibel ein. Auch das mag die Tochter bewogen haben, “der Mutter zu beweisen, dass auch ein Mädchen etwas leisten und tun konnte, das außergewöhnlich war, nicht nur ein Junge”, wie sie später betonte.
In der Schule bevorzugte Bertha die naturkundlichen Fächer, Elektrizität faszinierte sie. 1871 ließ sie sich vorzeitig ihre Mitgift auszahlen, um mit diesem Kapital ihrem Verlobten Carl Benz die Weiterführung seines Unternehmens zu ermöglichen. Am 20. Juli 1872 heirateten die beiden in Pforzheim.
“Sie war wagemutiger als ich und hat eine für die Weiterentwicklung des Motorwagens entscheidende Fahrt unternommen”, sagte Benz Jahre nach der gelungenen Fernfahrt über seine Frau. Und auch diese war sich bewusst, dass sie etwas Besonderes geleistet hatte: “So hab ich als erste gezeigt, dass dem ‘Papa Benz’ sein Automobil auch für weite Fahrten gut ist. Und auf meinen Vorschlag hat er dann noch einen dritten Gang eingebaut für Bergfahrten. Und den haben heute alle Autos auf der Welt. Da bin ich sehr stolz drauf.” Am 5. Mai 1944 starb Bertha Benz in Ladenburg, zwei Tage nach ihrem 95. Geburtstag.