Vor 125 Jahren wurde der Autor Ernest Hemingway geboren

Wer die Ikonen der klassischen Moderne ergründet, kommt an Hemingway nicht vorbei. Seine zelebrierte Maskulinität wäre heute verpönt. Doch seine Romane und Kurzgeschichten bleiben Inbegriff der amerikanischen Literatur.

Er wollte immer mehr sein als stilgebender Schriftsteller: Soldat und Kriegsreporter, Großwild- und Schürzenjäger, trinkfester Macho mit melancholischer Ader. Ernest Hemingway bearbeitete seine Legende ein Leben lang – und sie ihn. Vor 125 Jahren, am 21. Juli 1899, wurde der Sohn eines Landarztes in Oak Park, Illinois, geboren. Die Welt stand am Beginn ihres amerikanischen Jahrhunderts.

Mit 18 kam Hemingway als Lokalreporter zum Schreiben und kurz darauf als Freiwilliger an die italienische Front. Hier fand er, was sein Leben prägte: den Krieg, das Abenteuer, den Alkohol und die Frauen. Unglücklich verliebte er sich im Lazarett in eine Krankenschwester. Die Mischung aus Fronterlebnis und tragischer Liebesgeschichte verarbeitete er später in dem Roman “In einem anderen Land”.

Europa ließ ihn nicht los. Anfang der 20er Jahre schloss er sich der Welle junger Amerikaner an, die der puritanischen Enge der USA nach dem Ersten Weltkrieg entflohen und in Paris ein neues Lebensgefühl suchten. Noch schrieb er Kurzgeschichten, gefördert von Literaten wie F. Scott Fitzgerald und Gertrude Stein. Sie schuf den Begriff der “Lost Generation” für jene “verlorene Generation”, die desillusioniert von den Schlachtfeldern Frankreichs zurückkehrte, keinen Respekt mehr vor der Welt, dafür jede Menge Gin im Blut hatte. Hemingway wurde ihr wichtigster Autor.

Der Durchbruch gelang ihm 1927 mit dem Roman “Fiesta”, der konfliktvollen Beziehungsgeschichte um eine Reisegruppe junger Jazz-Ager, angelegt zwischen Pariser Cafes und spanischem Stierkampf, den Hemingway als Metapher des Lebens verherrlichte. Was die Story so gut machte, war weniger der simple Plot, sondern ihre Sprache: knappe, trockene Aussagesätze, schnörkellos wie ein Scotch am Nachmittag.

Hemingway hatte diese Sprache nicht erfunden, doch der “Eisberg”-Stil, der sieben Achtel der Geschichte – und der Gefühle ihrer Figuren – unter der Oberfläche belässt, wurde sein Markenzeichen. Ihm war klar, dass er keine literarische Feinkost lieferte. “Ich habe nicht vor, mit Tolstoi in den Ring zu steigen”, bemerkte er einmal. Dafür erreichte seine Prosa eine lässige Prägnanz, die Generationen von Autoren inspirierte.

Den Erfolg im Rücken, blieb Hemingway ein Rastloser. Auch was die Frauen betraf. Mit seiner zweiten Ehefrau lebte er in Florida, mit der dritten zog er Ende der Dreißiger nach Kuba und heiratete dort die vierte. Konstanter war seine Katzenliebe. Zwischen Scheidungen und Affären, Safaris und Hochseeangeln, Einsätzen als Frontreporter im Spanischen Bürgerkrieg und 1944 in Frankreich entstanden die Ideen für Bestseller.

“Schnee auf dem Kilimandscharo”, “Haben und Nichthaben”, “Inseln im Strom” oder “Wem die Stunde schlägt” – seine Bücher sollten das Leben eines Mannes spiegeln, der aus seiner Corona No. 4 genauso viel herausholen konnte wie aus seinen Fäusten in den Bars von Havanna. “Alles, was du tust, ist, an deiner Schreibmaschine zu sitzen und zu bluten”, beschrieb der Autor seine Arbeit.

Hemingway vermochte die Zeitgenossen auch deshalb zu fesseln, weil er im Angesicht von Weltenbränden unpolitisch schrieb. Während Ideologien den Planeten aus den Angeln hoben, ruhen seine Figuren in schlichtem Gerechtigkeitssinn und abgeklärter Lebensfreude. Die einzige Weltanschauung des Macho-Poeten blieben ein gut gemixter Daiquiri und die Überzeugung, dass ein Mann sich selbst irgendwie “treu” bleiben muss. Und Hollywood gab seinen Helden mit Gary Cooper, Humphrey Bogart oder Gregory Peck das Gesicht dazu.

Dem großspurigen Tatmenschen reichte die archaische Bejahung von Kampf um seiner selbst willen, Prahlereien über angeblich 122 getötete deutsche Soldaten inklusive. Für die Erzählung vom Ringen zwischen einem altersmüden Fischer und einem Schwertfisch erhielt er 1954 den Literaturnobelpreis – noch immer gehört “Der alte Mann und das Meer” zu den Büchern, die man in einer Nacht durchliest. Doch da war Hemingway längst dabei, den Kampf gegen sich selbst zu verlieren: gegen schwere Depressionen, gegen das Altern und gegen das Trinken. Im Juli 1961 setzte er ihm selbst ein Ende.

Er habe zuerst erzählt, was er erlebt hat, während er später zu erleben bemüht war, was er erzählen wollte, schrieb ein Biograf über den Autor. Sein Image und das seiner Bücher hielt. Auch wenn sich “Männlichkeit” heute gemeinhin nicht mehr in Promille bemisst und Gewaltaffinität eher Therapeuten auf den Plan ruft: Hemingway hält sich auf den internationalen Verkaufslisten als Klassiker der Moderne und Ikone seines Jahrhunderts.