Von Schifffahrt bis Medizin: Knoten halten die Welt zusammen
Knoten gehören zu den ältesten Werkzeugen der Menschheit – bis heute. Auch in den Sommerferien sind sie wichtig – für Seglerinnen, Kletterer und Zeltfreunde.
Kreuzknoten, Palstek, Konstriktor oder Rundtörn mit zwei halben Schlägen: Wer in diesen Sommerwochen zelten oder klettern geht oder mit Segelboot unterwegs ist, kommt ohne gute Knoten nicht aus. Knoten sind klein, leicht zu übersehen und doch manchmal überlebensnotwendig. Sie halten die Welt zusammen – auch wenn kaum jemand über sie nachdenkt. Knoten gehören zu den unentbehrlichen Helfern ganzer Berufsgruppen – von Schifffahrt und Bauhandwerk bis zu Ärzten, die Wunden zunähen. Ihr Charme: Sie sorgen für Stabilität und sind doch so flexibel, dass man sie (meistens) wieder auflösen kann.
Verknotetes gehört zum Alltag der Menschen
Wir rollen Spaghetti mit der Gabel auf und fieseln Kopfhörerkabel auseinander. Das Schuhezubinden ist eine Grundtechnik, die Kinder mühevoll erlernen müssen. Wir schnüren Pakete und Geschenke, häkeln und stricken und knoten Krawatten, Halstücher und Haare. Auch sprachlich ist der Knoten wichtig: Wenn wir einen Knoten in der Zunge haben oder in Gesprächen an etwas Früheres anknüpfen.
Knoten gehören von Anfang an zur Menschheitsgeschichte: Man denke nur an den legendären Phryger-Königs Gordios. Wer den von ihm geschnürten Knoten löste, sollte Asien beherrschen. Alexander der Große (356-323 v. Chr.) schaffte es bekanntlich kurzerhand mit einem Schwerthieb, und das Perserreich war seins. Seitdem steht der Gordische Knoten sprichwörtlich für ein Problem, das mit Mut und unkonventionellen Mitteln gelöst wird. Manchmal dauert es eben lange, bis der Knoten platzt.
Auf mindestens 4.000 Grundformen des Knotens kommen Historiker und Archäologen, schreibt der Soziologe Michael S. Karg in seinem aktuellen Buch „Am Anfang war der Knoten“. Verschlingungen von Seilen und Bändern gehören nach seiner Überzeugung neben Stock und Stein zu den ältesten und wichtigsten Werkzeugen der Menschheit – und finden sich heute noch in jedem Haushalt.
Leinen und Knoten hatten existenzielle Bedeutung
Sie halfen schon den frühen Menschen dabei, Gegenstände zusammenzubinden, Brennholz zu bündeln, Felle oder Fleisch aufzuhängen, Sehnen über Bögen zu spannen; Schlingen und Schlaufen dienten dem Heben und Ziehen von Lasten sowie dem Fallenstellen; mit Steks verband man Balken für Flöße, Hütten und Dächer; einfache Knoten verschlossen Nähte an Kleidung; Netze erweiterten die Jagdmethoden. Die bis zu 2.500 Jahre alten Gottorfer Moorleichen haben Würgemale von Knoten am Hals. Und aus verknoteten Fäden und Seilen entstanden Kleidung und Körbe.
Karg zitiert die niederländische Archäologin Willemina Wendrich mit den Worten, dass es weit treffender wäre, statt von Steinzeit von einer Korbzeit zu sprechen, da seit etwa 10.000 Jahren weitaus mehr Herausforderungen des Alltags mithilfe von geflochtenen Körben oder anderen Flechtwerken gelöst wurden als mit Stein.
Knoten gewannen Bedeutung über den praktischen physischen Nutzen hinaus. Sie dienten als erste Schriftsysteme, als Kalender und Hilfe beim Rechnen. Um das Tempo von Schiffen zu berechnen, benutzten Seeleute Seile mit Knoten.
Knoten sind auch Gedächtnisstütze
Daher das Sprichwort „Mach Dir einen Knoten ins Taschentuch“. Das gilt bis heute: Der in der katholischen Kirche verwendete Rosenkranz besteht aus 100 Knoten oder Perlen, von denen jeder für ein „Vater unser“ oder „Gegrüßet seist du Maria“ steht. Die muslimische Gebetskette – meist 33 Perlen oder Knoten – funktioniert nach demselben Prinzip. Und zum Ordensgewand der Franziskaner gehört eine Kordel mit drei Knoten: Sie erinnern den Träger an sein Gelübde der Armut, Keuschheit und des Gehorsams.
Autor Karg vermutet gar, dass die Auseinandersetzung mit Knoten das menschliche Denken verändert hat – weil Knoten sowohl abstraktes räumliches Vorstellungsvermögen als auch Fingerfertigkeit verlangen. So muss man beim Umgang mit Knoten sehr genaue, analytische Überlegungen anstellen, ausprobieren, tüfteln und aus Ergebnissen und Erfahrungen lernen. Die Knotentheorie ist sogar zu einem komplizierten Fachgebiet der Mathematik geworden.