Von Halloren und Hallunken
An der Saale hellem Strande gibt es überraschend viel zu entdecken. Halle lädt ein
Halle an der Saale hat nach der Wende viel von seinem alten Glanz zurückerhalten. In dieser Stadt lässt es sich wunderbar leben. Auch für Menschen, deren Portemonnaie nicht so prall gefüllt ist. Dazu gibt es jede Menge Kultur und Geschichte. Umrahmt ist das alles von herrlicher Natur.
Seit mehr als 30 Jahren können wir reisen – vom Osten Deutschlands in den Westen und vom Westen in den Osten. Die Grenze existiert nicht mehr. Und dennoch: Wenn man mal von den klassischen Urlaubsregionen in Mecklenburg-Vorpommern absieht, scheint das Interesse der Menschen aus den alten Bundesländern an den neuen doch noch sehr bescheiden. Auf der Rangliste der Bundesländer nach touristischen Übernachtungen liegt Sachsen-Anhalt vor Bremen und dem Saarland an drittletzter Stelle. Schade eigentlich, denn das Land ist ein Kernland deutscher Kultur und Geschichte. Und Halle an der Saale ist ein Teil davon.
Aber wer weiß das schon? Wenn man mal so rumfragt „Was verbindet ihr mit Halle an der Saale?“, antworten die klassisch Gebildeten vielleicht noch, dass Händel hier das Licht der Welt erblickt hat. Und die politisch Interessierten könnten sich eventuell erinnern, dass Halle auch der Geburtsort des ehemaligen Bundesaußenministers Hans-Dietrich Genscher ist (genauer gesagt war es Reideburg, das heute zu Halle gehört). Das war’s aber dann meist.
Und es stimmt ja: Wenn man sich von Westen der Stadt nähert, fällt zuerst mal das ins Auge, was genau den westlichen Vorstellungen der Plattenbau-Vorstädte in der DDR entspricht. Die gibt es – inzwischen allerdings aufgemöbelt – auch in Halle. Klar. Und dazu manche andere Bausünde (aber das gilt ja für jede deutsche Großstadt). Nicht gerade ein Schmuckstück ist zum Beispiel die Hochstraße, die an der Altstadt vorbeiführt und die Stadt zerschneidet.
Vor der völligen Zerstörung bewahrt
Aber die Altstadt selbst, überhaupt die gesamte Innenstadt: Sie ist wirklich eine Reise wert. Zumal in den Jahrzehnten nach der Wende viel getan wurde, sie aufzuhübschen und ihr etwas von dem alten Glanz zurückzugeben.
Was in Halle möglicherweise nicht ganz so schwierig war wie andernorts, denn das Stadtzentrum konnte im Zweiten Weltkrieg durch das vernünftige und beherzte Handeln einiger Persönlichkeiten vor der angedrohten totalen Vernichtung bewahrt werden. Darauf weist Hannah Käthler hin. Die 25-jährige Bielefelderin lässt auf die Saalestadt nichts kommen. Vor einigen Jahren ging sie zum Studium der Musikwissenschaft und Theologie dorthin. Halle sei einfach die „ultimative Studierenden-Stadt“, sagt sie. „Alles ist mit dem Fahrrad zu erreichen, und die Mietpreise sind günstig genug, um sich eine Wohnung in Innenstadtnähe leisten zu können.“. Dazu gebe es „nette Bars, Cafés, Clubs – alles was das Herz begehrt“.
In der Tat: Essen und Trinken wird hier in breiter – internationaler – Vielfalt geboten. Da ist Halle, vermutlich auch dank der Universität (Teil der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg), nicht anders als andere Großstädte auch. Vieles davon vor historischer Kulisse oder in historischem Gemäuer.
Ja, und Geschichte, davon hat Halle reichlich. Bereits im Jahr 806 wurde die Stadt erstmals schriftlich erwähnt. Solequellen begründeten ab der Mitte des 10. Jahrhunderts ihren wachsenden Reichtum. Der Hallmarkt in der Innenstadt erinnert daran. Hier wurde in früheren Zeiten die Sole zu Salz versiedet. Nicht weit davon steht die große Marktkirche mit ihren vier Türmen. Luther soll hier dreimal gepredigt haben (immerhin ist Halle nur etwa 30 Kilometer von der Geburts- und Sterbestadt des Reformators entfernt), der Komponist Georg-Friedrich Händel wurde hier getauft, Johann Sebastian Bach weihte die Orgel ein und sein ältester Sohn Wilhelm-Friedemann war von 1746 bis 1764 Organist an dieser Kirche.
Mehr über die Geschichte der Stadt kann man bei den verschiedenen Stadtführungen erfahren. Ebenso, was der Unterschied ist zwischen Hallensern, Halloren und Hallunken…
Ein „Hallunke“ (so werden, das sei schon jetzt verraten, scherzhaft die Zugezogenen genannt) war zum Beispiel August Hermann Francke. Der in Lübeck geborene evangelische Theologe und Pädagoge gründete 1698 in der Saalestadt eine Armen- und Waisenanstalt. Geprägt vom Pietismus wollte er der Not der Zeit etwas entgegensetzen. Die perfekt wiederhergestellten historischen Gebäude der Franckeschen Stiftungen beherbergen heute verschiedene Einrichtungen, darunter Schulen, Universitätsinstitute, die Kulturstiftung des Bundes, eine Bibliothek und eine Kunst- und Naturalienkammer, die von Francke zu Bildungszwecken aufgebaut wurde und zu besichtigen ist.
Wie noch so vieles andere in Halle: das Landesmuseum für Vorgeschichte mit seiner berühmten Himmelsscheibe von Nebra zum Beispiel, die Oper, das Händelhaus, der „Rote Turm“ am Markt, mit dem, wie es heißt, größten Glockenspiel Europas, die Burg Giebichenstein und, und, und… Die Dichte an Sehenswürdigkeiten ist außergewöhnlich für eine Stadt, die nur knapp 240 000 Einwohner zählt.
Dabei ist eines noch gar nicht erwähnt: Die Innenstadt, so schwärmt Hannah Käthler, ist eingerahmt von toller Natur. Da ist nicht nur die Peißnitz (eine Insel in der Saale), wo im Sommer das Leben pulsiert (wenn nicht gerade Corona herrscht), dazu gibt es die Rabeninsel und die Saaleaue, in der man, so die Studentin, „manchmal das Gefühl haben kann, ganz allein auf einer Erde zu sein“. Auch schwimmen kann man mancherorts in der Saale.
Wem das immer noch nicht genug ist: Von Halle aus lassen sich prima Ausflüge machen in die Umgebung – zum Beispiel ins Weinbaugebiet Saale-Unstrut, in die Bauhaus-Stadt Dessau, in die Lutherstadt Eisleben, nach Merseberg, Naumburg oder kurz über die Landesgrenze nach Leipzig. Und das ist noch längst nicht alles…