Von der Klangwelt fasziniert

Vor rund einem Jahr hat Mahela Reichstatt als Kirchenmusikerin am St.-Petri-Dom in Schleswig begonnen – vom Start an unter Pandemiebedingungen. Wie es ihr seitdem ergangen ist.

Mahela Reichstatt an der sanierten und erweiterten Orgel im St.-Petri-Dom zu Schleswig
Mahela Reichstatt an der sanierten und erweiterten Orgel im St.-Petri-Dom zu SchleswigThorge Rühmann

Schleswig. Trotz der erschwerten Bedingungen, die die Corona-Krise mit sich bringt: Mahela Reichstatt, die als Kantorin am 1. Februar des vergangenen Jahres am Schleswiger St.-Petri-Dom begonnen hat, konnte eine ganze Menge Musik und Veranstaltungen anbieten. Das wird im ­Gespräch mit der 32-Jährigen deutlich. „Es war ein spannendes Jahr: Zum einen war Pandemie, zum anderen war der Dom eine große Baustelle“, so Reichstatt. „Das heißt, ich musste kreativ sein und habe mit den Chören via Zoom geprobt. Das erste Live-Treffen war im Juni im Innenhof des Schwahls­, im Kreuzgang des Doms, möglich.“

Zu den musikalischen Höhepunkten zählt sie Konzerte der Domkantorei unter freiem Himmel an idyllischen Plätzen in Schleswig, besondere musikalische Gottesdienste sowie das digitale Orgelpodium Schleswig, das sie ins Leben gerufen hat. Neben schöner Orgelmusik durfte das Publikum den Orgelbaumeistern über die Schulter schauen – „um einmal wirklich zu sehen: Was passiert gerade mit unseren Orgeln? Das war für viele spannend zu erfahren“, schildert die Kirchenmusikerin. Im Herbst fand die große Wiedereröffnung des sanierten Doms statt, mit Chorgesang, Bläsermusik und Orgelklang.

Mit viel Energie

Reichstatt hat mit ihrer Stelle die Nachfolge von Domkantor Rainer Selle und Chorleiterin Christina Selle angetreten, die beide zuvor 24 Jahre lang im Schleswiger Dom wirkten. Diese Aufgabe geht sie mit viel Energie, Verve und frischem Mut an. „Es ist eine große Chorarbeit von Klein bis Groß möglich: Ich leite einen Kinderchor, die Jugendkantorei und den Kammerchor der Domkantorei“, sagt sie.

In Frankreich studiert

Hinzu kommen der Domchor für die oratorischen Aufführungen, der Seniorenchor und die Bläser. „Das ist insgesamt eine unglaublich große Chorlandschaft, die mir sehr viel Freude macht“, so Reichstatt. Dann gerät sie ein wenig ins Schwärmen, als sie von „ihrem“ Hauptinstrument, der 2021 fertig sanierten und erweiterten Orgel im Dom berichtet. „Es ist eine wunderbare, vielseitige Orgel, die genau meinen Vorlieben entspricht: Ich kann dort meine großen Favoriten spielen, das ist zum einen die Musik Johann Sebastian Bachs, zum anderen die französische Symphonik.“

Das hat einen guten Grund: Reichstatt hat zwei Jahre in Frankreich Orgel studiert. „Daher bin ich in diese Musik total verliebt“, sagt sie und lacht. Der gute Kontakt nach Frankreich besteht weiter und wirkt sich positiv auf das musikalische Angebot in diesem Jahr aus: Unter anderem können sich Orgel-Fans auf den Internationalen Orgelsommer im Dom freuen, mit Konzerten an jedem Mittwoch vom 25. Juni bis zum 11. September, darunter Orgel-Soloabende, eine Stummfilm­improvisation, Harry-Potter-Filmmusik und der Besuch ihrer früheren Orgelklasse aus Lyon.

Große Fußball-Anhängerin

Mahela Reichstatt begann mit zwölf Jahren, Orgel zu spielen. „Ich war fasziniert von der Größe und Klangvielfalt“, sagt sie. Bei ihrem ersten Gottesdienstauftritt, es war der Tag des WM-Finales Deutschland gegen Brasilien 2002, saß ihre Familie vormittags im Gottesdienst. Sie spielte als Überraschung die Orgel. „Meinen Angehörigen liefen die Tränen. Mir auch, nachmittags, als wir das Spiel verloren haben.“ Bis heute kickt sie in ihrer Freizeit, Fußball ist das große Hobby der Domkantorin.

Wie gefallen ihr Stadt, Land und die Menschen vor Ort? „Die Region hat eine hohe Lebensqualität!“, findet sie. Allerdings müsse sie sich noch an den Wind gewöhnen. „Wenn dann noch Regen dazukommt, sitze ich lieber auf meiner Orgelbank und genieße dort die Zeit.“ Weit hat sie es nicht: Nur drei Minuten braucht sie zu Fuß von ihrer Wohnung bis zum St.-Petri-Dom.