Volkskrankheit Diabetes: So können Sie sich schützen
Diabetes gilt als Volkskrankheit. Rund neun Millionen Menschen in Deutschland sind von zu hohen Blutzuckerwerten betroffen. Dabei kann das körpereigene Hormon Insulin, das Zucker aus dem Blut in die Körperzellen schleust, nicht richtig wirken oder fehlt ganz. Die „Zuckerkrankheit“ steht im Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und kann zu Gefäß- und Nervenschädigungen führen. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) gibt der Diabetologe Lars Köthe vom Evangelischen Krankenhaus in Göttingen Tipps, um der Krankheit vorzubeugen.
epd: Herr Köthe, wie entwickeln sich die Diabetes-Zahlen?
Lars Köthe: Die Anzahl der Diabetes-Patienten hat in den letzten Jahren weltweit kontinuierlich zugenommen. Von 2000 bis 2021 ist die Zahl von 151 Millionen auf 537 Millionen Betroffene gestiegen. Die „International Diabetes Federation“ rechnet für den Zeitraum bis 2045 um eine weitere Zunahme auf 783 Millionen betroffene Menschen weltweit. Auch in Deutschland steigt die Zahl kontinuierlich. Jeder vierte bis fünfte Patient, der in Deutschland in einer Klinik aufgenommen wird, hat die Nebendiagnose Diabetes mellitus. Dabei handelt es sich zum überwiegenden Teil – rund 92 Prozent – um Diabetes Typ 2.
epd: Wie kann ich Diabetes vorbeugen?
Köthe: Das kommt auf die unterschiedlichen Diabetes-Typen an. Typ 1 kann man bisher nicht gezielt vorbeugen, da er durch genetische Einflüsse, autoimmunologische Einflüsse und Umwelteinflüsse entsteht.
Doch das Risiko für Diabetes Typ 2 kann man durch seinen Lebensstil reduzieren, auch wenn es hier ebenfalls genetische Einflüsse gibt. Körperliche Aktivität und eine Umstellung der Ernährungsgewohnheiten sind am wichtigsten. Übergewicht sollte vermieden werden. Insbesondere das viszerale Fett, das im Bauchraum die inneren Organe umhüllt, ist für die Ausbildung einer Insulin-Resistenz verantwortlich und somit ein wichtiger Auslöser des Diabetes mellitus Typ 2.
epd: Mit welchen Alltagstipps kann ich das Risiko für Typ 2, früher auch Altersdiabetes genannt, konkret reduzieren?
Köthe: Im Alltag sollten Sie sich mindestens 150 Minuten in der Woche moderat sportlich belasten und zusätzlich den Aktivitätsgrad erhöhen: Treppe steigen statt Aufzug oder Rolltreppe nehmen, Fahrrad fahren statt Auto, Spaziergänge statt Gartenbank.
Zur Ernährung sollten mehr Vollkornprodukte gehören, viel Flüssigkeit im Sinn von normalem Mineralwasser und weniger Fleischgerichte. Zusätzlich sollten industriegefertigte, hochkalorische Fertigprodukte wie etwa Tiefkühlpizza oder Pommes frites gemieden werden, ebenso der übermäßige Verzehr von Süßigkeiten und gesüßten Getränken. Besonders gesund sind unter anderem Nüsse, Fisch, mageres Geflügelfleisch und Hülsenfrüchte. Diese „mediterrane Diät“ kann das Risiko für Herzkreislauf-Erkrankungen sogar senken.
-epd: Inwiefern kann die neue sogenannte Abnehmspritze helfen?
Köthe: Die Abnehmspritzen, aktuell mit den Wirkstoffen Semaglutid und Tirzepatid, sind sicherlich ein wirkungsvolles Produkt, das die Diabetes-Therapie verändern wird und bereits verändert hat. Aktuell können diese Medikamente nur als Kassenleistung verordnet werden, wenn bereits ein Diabetes mellitus Typ 2 vorliegt. Hier können sie wirksam den Blutglukose-Spiegel regulieren, die Nieren und das Herz schützen und zusätzlich bei vielen Patienten zu einem teils deutlichen Körpergewichtsverlust führen. Die Verminderung der Fettmasse, also eine Gewichtsabnahme, führt bei vielen Patienten mit Diabetes Typ 2 zu einer Abnahme der Insulin-Resistenz.
In Studien konnte gezeigt werden, dass bei ausreichender Verminderung des Körpergewichts der Diabetes Typ 2 nicht mehr medikamentös behandelt werden musste. Für Patienten mit Übergewicht, aber noch nicht nachgewiesenem Diabetes, gelten die Medikamente als „Lifestyle“-Produkt und müssen selbst finanziert werden, auch wenn man dafür ein ärztliches Rezept braucht.