Virologin: Haben zu sehr auf Gegner von Corona-Schutzmaßnahmen gehört

In der Corona-Pandemie haben zu viele Wissenschaftler Gehör gefunden, die sich gegen Schutzmaßnahmen ausgesprochen haben, kritisiert die Virologin Melanie Brinkmann.

Melanie Brinkmann, Professorin für Virologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung und an der TU Braunschweig
Melanie Brinkmann, Professorin für Virologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung und an der TU BraunschweigImago / Jürgen Heinrich

Die Braunschweiger Virologin Melanie Brinkmann kritisiert, dass in der Corona-Pandemie vielfach auf Wissenschaftler gehört wurde, die sich gegen Schutzmaßnahmen ausgesprochen haben. Im Jahr 2020 habe es die „Great Barrington Erklärung“ gegeben, „verfasst von einigen Wissenschaftlern, die meinten, es reiche, ausschließlich die Älteren schützen“, sagte sie laut einer Vorabmeldung der Wochenzeitung Die Zeit.

Zwar habe die überwältigende Mehrheit der Wissenschaft dies scharf kritisiert. Dennoch habe etwa der damalige Premierminister Großbritanniens, Boris Johnson, auf diese Minderheit gehört und einen liberalen Kurs eingeschlagen. „Der Preis war enorm viele Tote und einer der härtesten Lockdowns“, sagte die Professorin am Institut für Genetik der TU Braunschweig. „Ein perfektes Beispiel für die ‚false balance‘ (falsche Ausgewogenheit), die wir auch in Deutschland gesehen haben.“

Fokus auf Christian Drosten und Hendrik Streeck

Brinkmann sagte der Zeitung, sie sei insbesondere von der Fokussierung auf ihre Kollegen Christian Drosten und Hendrik Streeck irritiert gewesen. Als Kanzler Olaf Scholz (SPD) seinen Expertinnenrat berufen habe, habe sie in den Nachrichten nur gehört: „Herr Drosten und Herr Streeck sitzen drin!“ Was der Rat leisten sollte, habe scheinbar niemanden interessiert.

Sie selbst habe in der Pandemie eher zu den warnenden Stimmen gehört, sagte Brinkmann, die bereits dem Corona-Beraterkreis um Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) angehörte. „Wenn Sie sagen, ich habe deutlicher gewarnt als andere, sage ich: Stimmt. Aber mit Recht.“ Sie habe es zynisch gefunden, zu sagen, „wir müssen mit dem Virus leben“.

Verteidigung von „No Covid“-Konzept

Brinkmann verteidigte auch das „No Covid“-Konzept, das sie Anfang 2021 mit anderen Wissenschaftlern vorgestellt hatte. „Ich bin überzeugt, dass das Konzept vor Omikron hätte funktionieren können“, sagte sie. „Aber es wurde leider nicht ernsthaft diskutiert.“ Den Vorwurf, dass „No Covid“ eher ein Konzept für totalitäre Regime wie China sei, wies sie zurück: „Eine Niedriginzidenz-Strategie in einer Demokratie hat nichts mit den Methoden eines totalitären Regimes zu tun.“