Vier Millionen verurteilte Amerikaner dürfen nicht wählen
Jetzt wird es ernst: Mehr als 200 Millionen US-Amerikaner sind am Dienstag zur Wahl eines neuen Präsidenten aufgerufen. Doch wegen besonderer Gesetze ist eine bestimmte Gruppe ausgeschlossen.
Briefwahlunterlagen ins Gefängnis bestellen oder gar in der Justizvollzugsanstalt an die Wahlurne treten? Was in Deutschland möglich ist, ist in weiten Teilen der USA ausgeschlossen. Die Vereinigten Staaten sind das Land mit einer der restriktivsten Regelungen zum Entzug des Wahlrechts weltweit. So haben in 48 von 50 Bundesstaaten rund vier Millionen Menschen keine Chance, am Dienstag (5. November) für Kamala Harris oder Donald Trump zu stimmen. Sie wurden wegen einer schweren Straftat verurteilt.
Diese Zahlen hat die Nichtregierungsorganisation “The Sentencing Project” vorgelegt. In einer begleitenden Untersuchung wurde das Wahlrecht in 136 Ländern analysiert. In 73 von ihnen beeinflusst den Angaben zufolge eine Verurteilung das Wahlrecht nicht oder nur sehr selten. Unter den 63 anderen ist die Rechtslage in den USA besonders streng.
In der Regel kann man das Wahlrecht dort zwar nach Verbüßung der Strafe zurückerlangen. Zu dem oft komplizierten Antrag kommt aber eine ganze Reihe von Hindernissen hinzu – etwa, dass zunächst alle fälligen Bußgelder gezahlt werden müssen. Das ist für viele Ex-Straftäter nicht einfach, weshalb sie faktisch dauerhaft von den Wahlen ausgeschlossen bleiben. Nicht zuletzt deshalb sind in Florida fast eine Million Menschen betroffen. Die einzigen beiden US-Bundesstaaten ohne Wahlrechtsentzug für Straftäter sind Maine und Vermont, außerdem Washington D.C.
In Deutschland verlieren Straftäter ihr Wahlrecht nur in Ausnahmefällen, etwa bei einer Verurteilung wegen Landesverrats oder Hochverrats. Dafür ist aber eine zusätzliche Gerichtsentscheidung notwendig. Außerdem gilt der Entzug für maximal fünf Jahre.
In den USA sind vor allem Afroamerikaner vom Wahlrechtsentzug betroffen. Das hat auch historische Gründe: Etliche Südstaaten erließen nach Ende der Sklaverei Gesetze, die darauf abzielten, Schwarze wegen geringer Vergehen massenhaft zu inhaftieren. Dabei sollte ihnen zugleich das Wahlrecht aberkannt werden.
Auch heute werden schwarze US-Bürger überproportional häufig verurteilt. Rechnerisch ist jeder 19. Afroamerikaner im wahlberechtigten Alter (5,3 Prozent) von der Wahl ausgeschlossen. Der Anteil in der übrigen Bevölkerung beträgt 1,5 Prozent.
Straftäter könnten das Wahlsystem gefährden, sollten sie uneingeschränkt zur Wahl zugelassen werden, ist ein Argument der Befürworter bestehender Restriktionen. Und dennoch lockern viele Bundesstaaten langsam ihre Gesetze und lassen mehr Verurteilte wählen. 2016 waren noch rund sechs Millionen Menschen von den Wahlen ausgeschlossen. Seitdem sank die Zahl kontinuierlich.
Das passive Wahlrecht bei der Präsidentschaftswahl erlischt bei einer Verurteilung übrigens nicht. Das ermöglicht dem Republikaner Donald Trump die Kandidatur fürs höchste Staatsamt. Er war im Mai für schuldig befunden worden, vor der Wahl 2016 Schweigegeldzahlungen an eine Pornodarstellerin verschleiert zu haben. Dennoch hat er nun gute Chancen, ein zweites Mal zum Präsidenten gewählt zu werden.