Viel Wind um die Kirchen

Kirchliche Ländereien sind interessante Standorte für Windenergieanlagen. Einige Gemeinden im Norden erzeugen den Windstrom sogar in Eigenregie.

Viele Windkraftanlagen stehen auf Kirchengrund (Symbolbild)
Viele Windkraftanlagen stehen auf Kirchengrund (Symbolbild)Steffen Schellhorn / epd

Kiel/Demmin/Greifswald. Wind gibt es im Einzugsgebiet der Nordkirche reichlich. Kein Wunder, dass hier Tausende Windenergieanlagen rotieren. Nicht wenige davon stehen auf Kirchenland, das sich im Eigentum der evangelischen Gemeinden befindet.

Von den rund 1000 Kirchengemeinden verfügten mehr als 800 über eigene Flächen, sagt Thomas Schaack vom Landeskirchenamt in Kiel, zusammengerechnet etwa 78.000 Hektar. Der kleinere Teil befindet sich mit rund 13.000 Hektar in Schleswig-Holstein, dann folgt der Pommersche Kirchenkreis mit 20.000; die größte Fläche hat der Kirchenkreis Mecklenburg, rund 45.000 Hektar.

Genau dort, im westlichen Teil von Mecklenburg-Vorpommern, wurde 2014 die Kirchliches Energiewerk GmbH mit Sitz in Schwerin gegründet, um Grundstücke von Kirchengemeinden zu pachten – für eigene Windenergieprojekte. Denn die Kirche sei sich ihrer klimapolitischen Verantwortung bewusst, sagt Schaack. „Es läuft gut“, resümiert Gottfried Timm. Der Theologe und frühere Innenminister Mecklenburg-Vorpommers war von der Gründung bis 2018 Geschäftsführer des Kirchlichen Energiewerkes, an dem auch der Schweriner Energieversorger Wemag mit 49 Prozent beteiligt ist.

Wohin die Gewinne fließen

„Das Kirchliche Energiewerk will konkrete Beiträge zur Unterstützung der Energiewende im Raum der Kirche und der Diakonie leisten“, erklärt Wemag-Sprecherin Diana Kuhrau die Beteiligung. „Um die ambitionierten Klimaziele erreichen zu können, steht die Wemag als ökologisch ausgerichteter Energieversorger dem Kirchenkreis Mecklenburg partnerschaftlich zur Seite.“ Sie berät Kirchgemeinden zu Energieeffizienz, nachhaltiger Mobilität und Energieversorgung.

Ein Schwerpunkt des Energiewerkes liegt in der Entwicklung und dem Betrieb von Erzeugungsanlagen für erneuerbare Energie. 2018 habe man einige vielversprechende Projekte weiterentwickelt, so Kuhrau. „Zwei Windparks stehen in Kooperation mit Projektierungsgesellschaften kurz vor Baubeginn“, verrät Timm, „es fehlt nur noch die Baugenehmigung“.

Das Energiewerk ist nicht die einzige kirchliche Institution im Nordosten, die im Windsektor engagiert ist. So stelle die vor einigen Jahren gegründete Kirchliche Stiftung für Klimaschutz im Kirchenkreis Mecklenburg Geld für Windturbinen zur Verfügung, erklärt Timm. Die mit den Windenergieanlagen erzielten Gewinne würden für die Stiftungszwecke verwendet. Dazu zählen etwa die Förderung von kirchlichen, gemeinnützigen Klimaschutzprojekten oder die Unterstützung von Partnerkirchen in Tansania.

Unmut über Windenergie

Damit nehmen die Mecklenburger das Klimaschutzgesetz, das sich die Nordkirche 2015 auferlegt hat, selbstbewusst in die Hand. Dank der Windkraft-Einnahmen wurden im Westen Mecklenburgs die ersten Kirchengemeinden und zentrale Orte mit Ladesäulen ausgerüstet – Infrastruktur für Elektro-Mobilität. Für Timm, der nach seiner Zeit als Innenminister klimapolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag war, entspricht das der Philosophie des Kirchlichen Energiewerks: „Wir wollen eine schonende, nachhaltige Entwicklung, wir streben auch nicht nach Renditen im zweistelligen Bereich.“ Seit seinem Rückzug vom Geschäftsführerposten des Energiewerks hilft der gebürtige Mecklenburger mit, kirchliche Klima­schutz­projekte umzusetzen. Sein Motto dabei lautet „Die Kirche ist kein Kraftwerk“.

Dafür ist sie aber ein wichtiger Akteur, um die Akzeptanz für die Windkraft in der Bevölkerung zu stärken. Das gilt auch für den Kirchenkreis Vorpommern, in dessen Gebiet viel Unmut gegenüber der Windenergie herrscht. Davon kann Manfred Hanse, Sachbearbeiter für Grundstückangelegenheiten im Kirchenkreis mit Hauptsitz in Demmin, ein Lied singen: „Die Vorbehalte gegenüber der Windenergie haben in den vergangenen Jahren zugenommen.“

Mit der Struktur der „kirchlichen Ländereien“ ist Hanse seit Jahren vertraut: „Bei unseren Grundstücken handelt es sich zur Hälfte um Kirchenland, zur Hälfte um Pfarrland. Die Einnahmen aus dem Pfarrland fließen in die Pfarrkasse, die der Besoldung und Versorgung der Pastoren dient. Das Kirchenland kommt der Bauwerkserhaltung zugute.“

Solarenergie im Fokus

Der größte Teil des unveräußerlichen Kirchenlandes werde direkt von den Kirchengemeinden verpachtet. „Sie wählen die Pächter nach bestem Wissen und Gewissen aus. Dabei lassen sich die Gemeinden vom Gedanken der Schöpfungsbewahrung ebenso leiten wie von der Frage, ob der zukünftige Pächter auch in der Lage sein wird, die Pacht zu zahlen“, erzählt Hanse.

Im Pommerschen Kirchenkreis wurden bereits mehr als zwei Dutzend Windenergieanlagen auf Grundstücken mehrerer Kirchengemeinden errichtet; vier davon werden von der Kirchengemeinde Demmin selbst betrieben. Schon seit 1997 erzeugt die Gemeinde in Eigenverantwortung Windstrom – und erwirtschaftet so Einnahmen für die Gemeindearbeit.

Neben der Windenergie nutzt die Kirchengemeinde Greifswald / Wieck Photovoltaik: Auf dem Dach der Bugenhagen-Kirche betreibt die Gemeinde zwei Solaranlagen, eine Fläche hat sie an den Betreiber einer Freiland-Anlage verpachtet. Dafür gebe es aber die Bedingung, „dass diese nicht auf bewirtschaftetem Acker- oder Grünland, sondern nur auf Unland- oder Gewerbeflächen gebaut werden“, sagt Sebastian Kühl, Pressesprecher des Pommerschen Kirchenkreises.

In vielen Gemeinden wird über Solarenergie oder andere Optionen erneuerbarer Energien diskutiert. „Was auf die kirchengemeindlichen Flächen zukommt, ist schwer zu prognostizieren, weil dies von den Beschlüssen der Kirchengemeinderäte abhängt“ – Pressesprecher Kühl will sich nicht auf Ausbauziele festlegen. Zudem bestünden oftmals langjährige Pachtverträge mit Landwirten. Und man lege Wert auf eine gerechtere Verteilung von Gewinnen, um die Akzeptanz für Windenergieanlagen in der Bevölkerung zu erhöhen, so Kühl weiter. Für die Kirche sei es selbstverständlich, dass stets die Bedürfnisse von Mensch und Natur berücksichtigt werden.