Viel mehr als nur Gebimmel

In einer Dorfkirche in Kroatien hat Hendrik Hopfenblatt die Liebe zu Glocken entdeckt, seither lassen sie den 16-Jährigen nicht mehr los. Auch im Netz ist „Glockenhenry“ präsent.

Kirchenglocken wie hier in St. Jürgen in Lilienthal bei Bremen haben es Hendrik angetan
Kirchenglocken wie hier in St. Jürgen in Lilienthal bei Bremen haben es Hendrik angetanFriedrich-W. Armbrust

Lilienthal/Bremen. Zart tippt Hendrik Hopfenblatt die Zuckerhutglocke in der St.-Jürgens-Kirche in Lilienthal bei Bremen an. Ein feiner Ton erklingt. „Das ist ein tolles Teil“, strahlt er. Sie gehöre zu seinen Lieblingsglocken, schwärmt der 16-Jährige. „Ich liebe sie. So etwas hört man ganz selten.“

Nur etwa 50 Zuckerhutglocken gebe es noch in Deutschland, sagt der Schüler, der sich im Internet auch „Glockenhenry“ nennt. Die Zuckerhutform entwickelte sich im späten 12. Jahrhundert. Diese Glocke stammt aus der Zeit um 1190, als die Kirche erbaut wurde. Neben ihr hängen Maria und Katrina. Das geht aus den Inschriften hervor: „Maria ik hete. Dat Karspel to Sunte Jurgen heft mi laten ghet.“ Auf Hochdeutsch heißt das: „Maria ich heiße. Das Kirchspiel zu Sankt Jürgen hat mich lassen gießen.“ Ähnlich steht es auf der „Katrina“.

„Diese Glocken wurden um 1470 gegossen von Goteke Klinghe aus Bremen“, weiß Hendrik. Dann sprudelt es aus ihm heraus: „Maria: 1474 gegossen, 620 Kilogramm schwer, Durchmesser 103,1 Zentimeter.“ Auch von Katrina und der Zuckerhutglocke hat er die präzisen Daten aus dem Kopf parat. „Die ist 170 Kilogramm schwer, hat einen Durchmesser von 65,2 Zentimeter. Der Ton liegt eine halbe Oktave höher als bei der zweitältesten.“

Eines der Werkzeuge von Hendrik Hopfenblatt ist ein Gummi­hammer. Mit ihm bringt er die Glocken zum Schwingen. Dann geht er mit dem Ohr nah heran, um sämtliche Halbtöne einzufangen. Die erkenne er sofort, sagt er, denn er habe das absolute Gehör.

Seine Glockenliebe ist inzwischen fast neun Jahre alt. 2011 in einem Urlaub in Kroatien hat es bei ihm gezündet. „Das war in so einem kleinen Ort. Da hat eine Glocke geläutet. Das war so ein tolles Gefühl. Da habe ich gedacht, da bleibe ich dran“, erinnert sich Hendrik Hopfenblatt. Zwischenzeitlich sei sein Interesse zwar mal „abgeebbt“, räumt er ein. „Aber dann kam es 2015 wieder.­“

Vor Gefahren gewarnt

Während des Zweiten Weltkrieges erlitt so manche Glocke das Schicksal, zu Munition eingeschmolzen zu werden. Dem entgingen die drei Glocken der Kirche in St. Jürgen. Ihr Klang ist mit am schönsten im Bremer Umfeld. „Alle drei erklingen nur zu den Hochfesten wie Weihnachten, Ostern und Pfingsten“, sagt der Glockenenthusiast.

Über die Zuckerhutglocke weiß er, dass sie die Menschen in St.-Jürgens-Land vor drohenden Gefahren gewarnt hat, wenn es zum Beispiel irgendwo brannte. Die Glocken in St. Jürgen besucht Hendrik Hopfenblatt gern. Denn er ist in der Nähe, in Worphausen, aufgewachsen. Seine Eltern heirateten in der St.-Jürgen-Kirche.

Unterwegs im Harz

Inzwischen lebt die Familie in Bremen. Doch die Verbundenheit zur Region ist geblieben. Darüber hinaus bereist der 16-Jährige in Niedersachsen verschiedene Orte mit ihren Kirchen. Viel unterwegs sei er vor allem in der Harzregion, sagt er. Die habe er auch für die Osterferien wieder ins Visier genommen.

Interessierte lässt der Schüler an seiner Glockenliebe teilhaben. Auf seiner Seite bei Youtube lädt er Videos hoch. Oder man besucht seine Internetseite, wo er die Glocken, die er besucht hat, erklingen lässt.

Glockenbegeisterte gibt es nicht sehr viele, erst recht nicht Teenager. Doch das stört den Bremer nicht. „,Hey, was soll das denn?‘ Solche Fragen kommen. Mögen andere denken, was sie wollen. Ich ziehe mein Ding durch“, sagt er. Auch wenn Gleichaltrige das komisch fänden. Glockenfreunde gebe es in Niedersachsen wenige. „Aber viele sind in Nordrhein-Westfalen.“ Außerdem: „Meine Eltern unterstützen mich voll und ganz und wo sie nur können.“ Hendrik Hopfenblatt hat auch eine sinnliche Beziehung zu seinen Glocken. „Wenn es mir schlecht geht, höre ich Glockengeläut.“ Das Geläut sei für ihn eben mehr als nur „Gebimmel“.