Erstmals ist ein Unionsantrag für eine Verschärfung der Migrationspolitik im Bundestag nur dank Stimmen der AfD verabschiedet worden. Für die Ex-Kanzlerin ein Anlass, sich mit ungewohnt deutlichen Worten zu äußern.
CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz erntet für seinen Migrations-Kurs und das Vorgehen im Bundestag neben Zustimmung auch Kritik von prominenten Parteimitgliedern. Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die sich seit Amtsende eigentlich aus der Tagespolitik heraushält, veröffentlichte am Donnerstag eigens eine Erklärung. Es sei “falsch”, dass am Mittwoch eine Mehrheit für einen Unionsantrag mit AfD-Stimmen ermöglicht worden sei, schrieb Merkel. Noch im November habe Merz zugesichert, dass es zu einem solchen Vorgehen nicht komme.
Erstmals war am Mittwochabend ein Antrag der Union für eine Verschärfung der Migrationspolitik im Bundestag mit Hilfe der Stimmen der AfD verabschiedet worden. In namentlicher Abstimmung votierten 348 Abgeordnete für den sogenannten “Fünf-Punkte-Plan” von CDU/CSU und 345 dagegen, 10 Abgeordnete enthielten sich. SPD und Grüne hatten sich zuvor klar gegen den Antrag positioniert.
In dem Antrag sprach sich die Union für dauerhafte Kontrollen und Zurückweisungen an den deutschen Grenzen aus – auch für Schutzsuchende. Gefordert wurden zudem ein faktisches Einreiseverbot für Menschen ohne gültige Papiere sowie Abschiebehaft für Ausreisepflichtige und mehr Abschiebungen. Eine direkte rechtliche Bindung entfaltet der Antrag anders als ein Gesetzentwurf nicht. Nach Ansicht vieler Experten sind die Vorhaben nicht mit EU-Recht vereinbar.
Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, langjähriger Berater von Merkel, sprach sich wie sie deutlich gegen die Merz-Pläne aus. “Die Lehre aus der deutschen Geschichte ist, dass wir unsere Herausforderungen europäisch lösen müssen”, sagte Heusgen dem Nachrichtenportal “T-Online”. Das Europarecht müsse eingehalten, wenn nötig weiterentwickelt werden, aber man dürfe nicht dagegen verstoßen.
Heusgen, selbst CDU-Mitglied, betonte, dass seine Partei das “Christliche” im Namen führe. “Vor diesem Hintergrund und aufgrund unserer Geschichte halte ich es für wichtig, aus politischen, religiösen oder ethnischen Gründen, verfolgten Menschen Asyl zu gewähren – wie es auch das Grundgesetz vorsieht”, so Heusgen. Zugleich sei es richtig, dass die irreguläre Migration begrenzt werden müsse, aber Lösungen müssten gemeinsam mit Europa gefunden werden.
Auch der FDP-Vorsitzende, Christian Lindner, übte Kritik an Merz’ Abstimmungsstrategie. “Ich hätte Friedrich Merz nicht zu diesem Manöver geraten, denn es erlaubt Rot-Grün von eigenen Versäumnissen abzulenken”, sagte Lindner der “Rheinischen Post” (Freitag). Merz spalte sichtlich seine eigene Partei.
Zugleich verteidigte Lindner die Zustimmung aus der FDP für den Unionsantrag. “Eine Zusammenarbeit mit der AfD ist für die FDP weiter ein Tabu. Wir konnten allerdings unsere Zustimmung zu einem in der Sache richtigen Antrag der Union nicht vom Abstimmungsverhalten anderer Fraktionen abhängig machen”, erklärte der ehemalige Bundesfinanzminister.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann verteidigte dagegen den Kurs der Partei gegen die Kritik der ehemaligen Vorsitzenden Merkel. “Diejenigen, die heute in Verantwortung stehen, müssen jedoch auch auf die aktuelle Sicherheitslage und die furchtbaren Ereignisse in Magdeburg und Aschaffenburg reagieren”, sagte er der “Rheinischen Post”.