Verwitwet – wie geht es weiter?

Den Partner oder die Partnerin durch den Tod zu verlieren, ist für die betroffenen Personen eine enorme Herausforderung. Männer und Frauen sehen sich je nach Alter vor andere Probleme gestellt.

“Trauer ist der Preis, den wir für die Liebe zahlen”, sagte die verstorbene Queen Elizabeth II.. Sie war 73 Jahre verheiratet, als sie 2021 Witwe wurde. Verwitwung ist ein unausweichliches Altersschicksal für die allermeisten Frauen, sagt die Schweizer Therapeutin und Psychologin Pasqualina Perrig-Chiello in ihrem Buch “Own Your Age. Stark und selbstbestimmt in der zweiten Lebenshälfte”.

Allerdings trifft der Tod eines Partners oder einer Partnerin nicht nur Menschen im höheren Alter. Laut dem Hamburger Verein “jung verwitwet e.V.” gibt es in Deutschland etwa 500.000 Witwen und Witwer zwischen 20 und 59 Jahren. Insgesamt leben in Deutschland nach Angaben des Familienministeriums in Mecklenburg-Vorpommern aktuell rund sechs Millionen verwitwete Menschen, wobei Witwen deutlich in der Überzahl sind und durchschnittlich etwa 15 Jahre ohne den Ehepartner leben. Das Ministerium hat eine Seite mit Informationen für verwitwete Menschen online gestellt.

Der Tod des Partners gehört zu den belastendsten Ereignissen im Leben eines Menschen, so Perrig-Chiello, der auch mit gesundheitlichen Auswirkungen verbunden sein kann. Das Leben müsse nun alleine bewältigt werden, mehr noch: “Der Tod eines Ehepartners verlangt eine Neudefinition der eigenen Identität sowie sozialer Rollen, einschließlich Freundschaften und sozialer Beziehungen.”

Bei jüngeren verwitweten Menschen kommen noch einmal andere Herausforderungen ins Spiel. Neben der Trauer um eine geliebte Person müssen sie nicht nur sehen, wie sie ihr eigenes Leben unter so veränderten Umständen meistern; sie müssen gegebenenfalls auch den Kummer der Kinder auffangen. Falls finanzielle Sorgen durch den Wegfall eines Einkommens auftreten, stellt der Verlust der gewohnten Umgebung einen weiteren Bruch dar. Waren die Partner nicht verheiratet und es gab kein Testament, sind hässliche Erbschaftsstreitigkeiten mit der Familie möglich.

Die Zeit heilt alle Wunden, heißt es. Ja, sagt Perrig-Chiello – aber nicht bei allen gleichermaßen. Manche bräuchten mehr, manche weniger Zeit, und bei einigen werde es nie wieder gut. Die Therapeutin kann auf die Daten einer von ihr durchgeführten Langzeitstudie zurückgreifen. Sie hat Menschen im Alter von über 70 Jahren befragt und dabei große Unterschiede bei der Bewältigung des Verlusts festgestellt.

Etwas mehr als die Hälfte der Verwitweten erholte sich demnach gut; ein großer Teil brauchte längere Zeit, machte aber Fortschritte auf dem Weg in die neue Normalität. Und eine Minderheit von unter zehn Prozent litt auch nach Jahren unvermindert weiter unter dem Verlust.

Wie man mit der Trauer nach einer Verwitwung umgeht, hängt vor allem von den Charaktereigenschaften und auch vom Geschlecht ab, hat Perrig-Chiello herausgefunden. Wer organisiert, kommunikativ und gesellig ist sowie in der Lage, Hilfe anzunehmen, werde es einfacher haben auf dem Weg in die neue Normalität.

Nach ihren Erfahrungen bezeichnet eine große Mehrheit der älteren Witwen und Witwer die Einsamkeit als den schwierigsten Aspekt bei der Bewältigung des Verlusts. Vor allem Männer würden mehr unter dem Verlust der Partnerin und der Einsamkeit leiden und daher “Hilfe” im Alkohol oder Medikamenten suchen. Die Expertin weist darauf hin, dass in den ersten sechs Monaten nach der Verwitwung bei Männern das Suizidrisiko stark erhöht sei – ebenso wie das “Nachsterben”. Sie sieht den Grund darin, dass Männer weniger intensive persönliche Kontakte pflegen.

Männer neigen zugleich dazu, die Leerstelle an ihrer Seite schnell zu füllen. Perrig-Chiello sagt, die Mehrheit der Männer lebe bis ins sehr hohe Alter in einer Partnerschaft. Nach ihren Forschungen seien drei Jahre nach der Verwitwung 20 Prozent der Männer, aber nur drei Prozent der Frauen in einer neuen Partnerschaft. Offensichtlich haben verwitwete Männer und Frauen andere Erwartungen an eine Partnerschaft, besonders im Alter. Männer bevorzugen einen gemeinsamen Haushalt, Frauen eine Partnerschaft bei Wahrung ihrer Autonomie.

Hilfe annehmen – das ist in jedem Fall wichtig, um in dem so veränderten Leben wieder Tritt zu fassen. Es gibt an vielen Orten Trauergruppen, in denen sich Betroffene aussprechen können. Für die besonderen Bedürfnisse jung Verwitweter mit Kindern gibt es nach Angaben des Familienministeriums in Mecklenburg-Vorpommern immer mehr Selbsthilfegruppen, deren Mitglieder ein ähnliches Schicksal tragen. Eine solche Selbsthilfegruppe ist verwitwet.de. Dessen Gründer Oliver Scheithe berichtet auf der Internetseite, dass er 1998 Witwer mit drei Kindern wurde, als seine Frau mit 31 Jahren starb.

Geteiltes Leid ist halbes Leid, sagt man. Der “Young Widow_ers Dinner Club” ist eine Initiative aus Wien, die allen Menschen eine Plattform anbieten will, die in jungen Jahren ihre Lebenspartner verloren haben. Man trifft sich “monatlich in öffentlichen Lokalen, um gemeinsam zu essen, und setzt Trauer damit in die Mitte der Gesellschaft”, heißt es auf der Webseite. Auch in Deutschland gibt es Ableger für jung Verwitwete.

Trauer ist oft ein jahrelanger Prozess. “Es gibt keinen Endpunkt beim Trauern”, sagt die Psychologin Perrig-Chiello, “aber es gibt einen Punkt, wo man die Erinnerungen an den Verlust mit dem neuen Leben vereinbaren kann.”