Vertreibungen im Namen des Klimaschutzes

Polizisten, die mit Äxten auf ein Dach einschlagen, in Asche gelegte Häuser: Edwin Kiunet zeigt Fotos davon auf seinem Smartphone. Die hat er Anfang November in Sasimwani gemacht, nur etwa 25 Kilometer entfernt von seinem Heimatort Nkareta in Kenia.

Er und die rund 700 Menschen, die dort vertrieben wurden, gehören zur Volksgruppe der Ogiek. Sie leben seit Jahrhunderten im und vom Mau-Wald. Die Regierung versucht seit Jahren, sie aus den Wäldern auszuschließen – auch im Namen des Umweltschutzes.

Nun steht der Vorwurf im Raum, dass die kenianische Regierung CO2-Zertifikate für den Mau-Wald verkaufen will und vorsorglich schon mal großflächig die Grenzen räumt. Es gibt mehrere Gerichtsbeschlüsse, die einen sofortigen Stopp der Vertreibungen fordern.

Schwer hängen die Wolken über dem Waldgebiet, es zieht der Regen heran, der hier zum Ende der Regenzeit noch einmal richtig herunterkommt. Die Ogiek sind eine der kleineren ethnischen Gruppen in Kenia, etwa 30.000 Menschen gehören dazu. Seit Jahren kämpfen sie für den Wald und ihr Recht, dort zu leben. Dafür haben sie sich im „Ogiek People’s Development Program“ zusammengeschlossen.

Bisher vergibt die Regierung Lizenzen an Firmen, die im Mau-Wald Bäume für die Holzwirtschaft schlagen dürfen. Häufig folgt darauf illegale Abholzung. Die Regierung macht die Ogiek für die Zerstörung verantwortlich – doch gerichtlich bewiesen wurde das nie.

Jetzt kommt ein neues Modell auf, wie die Regierung mit dem Wald Geld machen kann: CO2-Zertifikate. Länder wie Kenia bekommen Millionen US-Dollar dafür, bestimmte Gebiete, oft Wälder, nicht zu nutzen und die damit eingesparten Emissionen in Form von Zertifikaten an Länder oder Unternehmen zu verkaufen, die in der Höhe CO2 ausstoßen können. Für die Ogiek würde dies das Ende ihres Lebensraumes bedeuten.

Früher jagten sie Tiere und sammelten Waldfrüchte, heute halten die meisten Ogiek Bienen. Der Verkauf von Honig ist eine ihrer wichtigen Einkommensquellen. Am Waldrand bauen sie außerdem Gemüse an. „Unsere Vorfahren sind hier geboren, wir wurden hier geschaffen“, sagt Samuel Nadunguenkop, der zusammen mit Mitstreitern eine Petition gegen die Vertreibungen vor Gericht eingereicht hat.

Tausende Kilometer entfernt geht es derzeit auch in Dubai um Klimawandel und Landrechte. Für Samstag stand auf der UN-Klimakonferenz ein Schwerpunkt zum Thema Landnutzung auf der Tagesordnung. Kenias Präsident William Ruto präsentiert sich besonders im Ausland gerne als Kämpfer für die Umwelt. Der Mau-Wald-Komplex mit seinen rund 270.000 Hektar Fläche ist das größte Waldgebiet des ostafrikanischen Landes – und damit extrem attraktiv für CO2-Zertifikate.

Es kursieren unterschiedliche Gerüchte, mit wem Kenia aktuell Verhandlungen führt – eine Firma aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und ein niederländisches Unternehmen werden genannt. Im Norden Kenias verkauft die Organisation „Northern Rangelands Trust“ bereits seit mehreren Jahren CO2-Zertifikate, unter anderem an den Facebook-Konzern Meta. Auch dort gibt es Kritik: Gemeinschaften vor Ort profitierten nicht von dem Geschäft.

„Sie sagen, es gehe um Klimawandel und Umwelterhalt“, sagt Daniel Kobei, der das Ogiek-Entwicklungsprogramm leitet, mit Blick auf die Räumungen des Dorfes Sasimwani. „Aber die Regierung ignoriert Gesetze und Rechtsprechung.“ Dass sich das nach dem jahrelangen Kampf noch immer nicht geändert habe, sei entmutigend. Die Behörden müssten „einen menschlichen Weg finden, mit den Gemeinschaften umzugehen, die dort leben, wo Umweltschutzprojekte umgesetzt werden sollen“.

Auch die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Survival International kritisieren Kenia für die Vertreibungen. Die Regierung müsse sich um die freie und informierte Zustimmung von indigenen Gemeinschaften für ihre Pläne bemühen. „Sonst handelt es sich um Zwangsvertreibungen, die eine grobe Verletzung internationaler und regionaler Menschenrechte darstellen“, erklären die Organisationen.

Der Dorfälteste Samuel Nadunguenkop hofft, „dass unsere Menschenrechte anerkannt und wir als Kenianerinnen und Kenianer respektiert werden“. Doch das ist für ihn noch ein Traum, der in weiter Ferne liegt. „Wilde Tiere werden besser geschützt als wir“, sagt Nadunguenkop.