Verrat, Vergebung und Hoffnung auf großer Bühne

Jesus trägt braunen Cord und Judas schwarzes Leder, seine Jünger reisen mit der Bahn an und sind mit E-Scootern unterwegs, zum letzten Abendmahl wird Pizza geordert und der Garten Gethsemane ist ein verfallenes Industriegelände: Mit großem Aufwand, deutschen Popsongs und einem Staraufgebot hat der TV-Sender RTL am Mittwochabend in der Kasseler Innenstadt eine moderne Version der Leidensgeschichte von Jesus Christus inszeniert, die live im Fernsehen übertragen wurde. Trotz des Regenwetters erlebten nach Sender-Angaben rund 8.000 Menschen vor Ort das über zweistündige Musikevent „Die Passion“ über Verrat, Kreuzigung, Tod und Auferstehung.

Ein jahrhundertealtes Geschehen werde zu neuem Leben erweckt, „um zu spüren, dass große Emotionen nicht einzuteilen sind in modern oder altmodisch, in jung oder alt“, kündigte Schauspieler Hannes Jaenicke an, der als Erzähler fungierte. Er rief dazu auf, „sich von der größten Geschichte der Menschheit berühren zu lassen“, die seit 2.000 Jahren die Menschen in ihren Bann ziehe und das Fundament des christlichen Glaubens bilde. Auch heute handelten „all unsere Geschichten von Freundschaft, Liebe, Verrat, Leiden, Vergebung und der Hoffnung, dass wir nie allein sind, wenn wir jemanden brauchen“.

Die Gesellschaft drifte mit beängstigender Geschwindigkeit auseinander: Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, die Klimakrise bedrohten sie, führte Jaenecke aus. Die Menschen hörten einander kaum noch zu. Die Ostergeschichte habe das Potenzial, sie wieder zusammenzuführen: „Lassen Sie uns nicht danach suchen, was uns trennt, sondern nach dem, was uns eint.“ Kein Leben sei nur eine Aneinanderreihung großartiger Momente: „Jeder von uns hat ein Kreuz zu tragen.“

Erzählt wurden die letzten Tage im Leben Jesu auf einer Bühne und mit Einspielern von anderen Schauplätzen in Kassel. Beteiligt waren auch eine Band und ein Chor, die live auftraten. Die Hauptrolle des Jesus hatte der Sänger, Schauspieler und Moderator Ben Blümel übernommen. Daneben waren Jimi Blue Ochsenknecht als Judas, Timur Ülker als Petrus, Nadja Benaissa als Maria, Francis Fulton-Smith als Pontius Pilatus und Ralf Richter als Barabbas zu sehen. Weitere prominente Mitwirkende waren Stefanie Hertel, Mola Adebisi, Vincent Gross, Reiner Calmund und Jenny Elvers.

Untermalt wurde die Erzählung von bekannten deutschen Popsongs. So wurde der Verrat des Judas von Falcos letztem Song „Out of the Dark“ begleitet, gesungen von Jesus und seinen Jüngern. Nadja Benaissa intonierte als Mutter Jesu unter anderem „Liebe ohne Leiden“ von Udo Jürgens. Ebenso war zu hören „An Tagen wie diesen“ der „Toten Hosen“ und „Alles brennt“ von Johannes Oerding.

Parallel zur Jesus-Erzählung auf dem Friedrichsplatz trugen knapp hundert Menschen, begleitet von einer Prozession, abwechselnd ein sechs Meter langes und 250 Kilogramm schweres leuchtendes Kreuz durch die Innenstadt zur Bühne und schilderten auf dem Weg, warum sie sich beteiligen. Sie erzählten ihre Geschichte von zerplatzten Träumen, Lebenswünschen, Schicksalsschlägen und erhörten Gebeten.

Cristina und Stephan Scheele aus Kassel waren bei der Prozession dabei, weil es ihnen wichtig ist, in der heutigen Zeit für den christlichen Glauben auf- und einzustehen: „Für mich ist es ein sichtbares Zeugnis meines Glaubens“, sagte Cristina Scheele. Sie hoffe, dass an diesem Abend „Menschen ins Nachdenken kommen und die Bedeutung von Ostern vielleicht wieder oder zum ersten Mal richtig begreifen“.

Für sie und ihren Mann ist Ostern das Fest der Hoffnung. „Mit der Kreuzigung und seinem qualvollen Tod hat Jesus all unsere Sünden auf sich genommen und somit eine Versöhnung mit Gott für uns möglich gemacht“, äußerte sich Stephan Scheele. Er wolle symbolisch einen Teil des Weges zum Kreuz mit ihm gehen.

Die evangelische und die katholische Kirche in Kassel begleiteten die Fernsehshow mit einem Rahmenprogramm. So war die Karlskirche für Gespräche, Gebete und Segnungen geöffnet. Pfarrer Harald Götte, der für Gespräche bereitstand, verbindet mit dem Abend die Hoffnung, dass die Menschen „nicht nur ein schönes Event erleben, sondern auch den Glauben für ihr Leben entdecken“. Außerdem wurden auf dem Friedrichsplatz 5.000 kleine Kreuze verteilt, verpackt in Tüten mit der Aufschrift „Liebe ist alles“, dem Motto der diesjährigen RTL-Passion.