Verpflichtung

Über Christen und die Obrigkeit schreibt Wolfgang Schmidt. Er ist Pastor in Grimmen (MV).

Der Predigttext des folgenden Sonntags lautet: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, ist sie von Gott angeordnet.“ aus Römer 13, 1
Kürzlich war ich bei einem Gemeindeabend, bei dem eine Frau von ihren Erfahrungen aus der Wendezeit berichtete, konkret von der entscheidenden Montagsdemonstration am 9. Oktober 1989 in Leipzig. Ihrer Grundüberzeugung entsprechend demonstrierte sie damals mit anderen gegen das Unrechtssystem der DDR. Zugleich trat sie dafür ein, Veränderungen im Land zu bewirken, auch wenn sie dabei sich und ihre Familie in Gefahr brachte.
Ich konnte ihrer Argumentation gut folgen, da es auch mir schwer erträglich war, in der DDR zu leben, wo die Rechtsstaatlichkeit mit Füßen getreten und die Menschen ihrer Freiheit beraubt wurden. Aber weder diese Frau noch ich sahen ein Weggehen als Möglichkeit an. Beide waren wir der Überzeugung, dass uns Gott in dieses Land gestellt, ja hineingeboren hatte, um der Stadt und des Landes Bestes zu suchen.
Wenn nun Paulus in seinem Brief an die Gemeinde zu Rom schreibt, seid untertan der Obrigkeit, denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott eingesetzt, verstehe ich diese Aussage nicht als Aufforderung, dass wir Christen da, wo es in einem Land an Rechtsstaatlichkeit fehlt, stille halten, uns fügen und unterordnen sollen. Gerade in solchen Situationen sind wir verpflichtet, daran mitzuwirken, dass sich Recht und Gerechtigkeit entfalten können und sich die Verhältnisse so ändern, dass sie der Vorstellung der von Gott gegebenen Ordnungen näher kommen.
Zugleich gilt für Christen aber, die Obrigkeiten als von Gott gegeben anzusehen, anzunehmen und sich mit Vernunft einzufügen. Glücklicherweise leben wir heute in Deutschland in einem Rechtsstaat und darum nicht in diesem Spannungsfeld. Doch auch heute ist das Erheben unserer Stimme gegenüber der Obrigkeit unerlässlich, wo Fremdlingen und Armen Recht verweigert oder wo Waffen um des Gewinns willen verkauft werden. Diesem und anderem Unrecht zu wehren, bleiben wir Gott und der Obrigkeit gegenüber verpflichtet, ganz egal zu welcher Zeit und unter welcher Obrigkeit wir als Christen leben. 
Unser Autor
Wolfgang Schmidt
ist Pastor in Grimmen (Mecklenburg-Vorpommern).
Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Mittwoch.