Vergessen und ignoriert – homosexuelle NS-Opfer

Der lange gültige Paragraf 175 hat nach Meinung des Historikers Alexander Zinn hat dazu beigetragen, dass Homosexuelle NS-Opfer oft ignoriert wurden. Er begrüßt die Ehrung am Holocaust-Gedenktag.

Dieser Stolperstein in Köln erinnert an Heinrich Malmedy, ein homosexuelles Opfer der NS-Zeit
Dieser Stolperstein in Köln erinnert an Heinrich Malmedy, ein homosexuelles Opfer der NS-ZeitImago / Future Image

Homosexuelle NS-Opfer sind nach Worten des Historikers und Soziologen Alexander Zinn über Jahrzehnte vergessen und ignoriert worden. Das hänge auch mit einer „fortgesetzten Verfolgung“ nach Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 zusammen, sagte Zinn im Interview der Welt. Bis 1969 habe der von den Nationalsozialisten verschärfte Paragraf 175 unverändert gegolten, erst 2002 seien Urteile aufgehoben worden. „Daher ist es sehr zu begrüßen, dass die Erinnerung nun endlich auf der höchsten Ebene ankommt.“

Am Holocaust-Gedenktag an diesem Freitag will der Bundestag erstmals auch an queere NS-Opfer erinnern. Die Schauspieler Jannik Schümann und Maren Kroymann stellen die nationalsozialistische Verfolgung sexueller Minderheiten anhand zweier Lebensgeschichten vor. Queer ist ein Sammelbegriff für nicht-heterosexuelle Menschen, etwa für Lesben, Schwule und Bisexuelle.

Verbiegung der Geschichte

Von queeren NS-Opfern zu sprechen, sei aus historischer Perspektive „Quatsch“, sagte Zinn. Dieser Begriff sei in Deutschland bis in die 1990er Jahre hinein weitgehend unbekannt gewesen. „Das verweist auf ein Grundproblem des Gedenkens. Es gibt eine Neigung, die Geschichte zu verbiegen, um des Prestiges habhaft zu werden, das mit der Zugehörigkeit zu einer Verfolgtengruppe einhergeht.

Die NS-Verfolgungspolitik gegen Homosexuelle sei in ihrer „Massivität und Wirkung“ historisch ohne Vorbild gewesen, betonte Zinn. Zu den Hintergründen sagte er, dass in den 1920er Jahren bei den Nationalsozialisten die Vorstellung entstanden sei, dass männliche Homosexualität „etwas mit Verschwörungen gegen den Staat“ zu tun gehabt habe.