Verführung erklären und Geschichte aufarbeiten
Auf dem Bückeberg bei Hameln fand von 1933 bis 1937 eine der größten Massenveranstaltungen des Nationalsozialismus statt: die „Reichserntedankfeste“ mit Adolf Hitler. Zu dem Fest gehörten militärische Übungen und eine Blut-und-Boden-Rhetorik. Heute ist der Bückeberg ein Dokumentations- und Lernort, den der Initiator, der Historiker Bernhard Gelderblom, am Wochenende bei einer Fachtagung zum Thema „Landschaften des Nationalsozialismus“ auf dem Hesselberg in Mittelfranken (Landkreis Ansbach) vorstellte.
Der Grund: Auf dem fränkischen Hesselberg ist ein ähnliches Projekt geplant, die „Denkmallandschaft Hesselberg“, die die wechselvolle und teilweise dunkle Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten soll. Zur Geschichte des Hesselberg gehören die propagandistischen „Frankentage“ des fränkischen Gauleiters Julius Streicher zwischen 1933 und 1939, die bis zu 100.000 Menschen anzogen. Streicher sah sich dort als „Prophet des Führers“ auf einem „Heiligen Berg“. Aber auch der Hesselberg als „uralter Kulturplatz, der zu allen Zeiten auf die Leute Faszination ausgeübt hat“, soll beleuchtet werden, erläuterte der Historiker Thomas Greif.
Inzwischen ist der Hesselberg in kirchlicher Hand: Die bayerische evangelische Landeskirche gründete 1951 auf dem mit 689 Metern höchsten Berg Mittelfrankens eine Landvolkshochschule mit dem Leitsatz „Kein Bauer wählt mehr braun“. 2005 wurde die Einrichtung in Evangelisches Bildungszentrum Hesselberg umbenannt. Nun laufen die Planungen zu einem Erinnerungsort für den Hesselberg. Der Planer des Projekts, Jochen Ramming, stellte bei der Tagung am Wochenende das aktuelle Konzept vor, das gegenüber ersten Planungen inzwischen kleiner ausfallen soll.
Die Denkmallandschaft Hesselberg soll auf drei Säulen stehen. Im Mittelpunkt steht eine Ausstellung im Evangelischen Bildungszentrum (EBZ) zur Geschichte des Bergs im Nationalsozialismus. Dazu kommen Informationstafeln und digitale Infopoints im Freien. Hier werden besonders die umliegenden Dörfer eingebunden. Diese Teile werden vom Bildungsprogramm des EBZ ergänzt. Man rechne mit Kosten von einer Million Euro, sagte Ramming.
Bei der Fachtagung warnten Experten aber auch davor, Lernorte und Vermittlungsprojekte aus einem „Elfenbeinturm“ heraus zu planen, wie es die mittelfränkische Bezirksheimatpflegerin Annett Haberlah-Pohl ausdrückte. Es sei „zwingend“, dass Orte zum Erklären und Verstehen dieser Zeit entstünden, sagte der bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle. „Aber passt auf, dass ihr die Menschen mitnehmt.“
Auch der Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, Jörg Skriebeleit, fordert von den Machern von Denkmalprojekten, „keine Elitenprogramme“ zu entwickeln. „Die Menschen müssen von Anfang an mitgenommen und ernst genommen werden.“ Dann könnten solche Projekte mehr Wirkung entfalten als Demonstrationen. In Anspielung auf mögliche Auswirkungen von AfD-Wahlerfolgen für Gedenkorte sagte Skriebeleit: „Diese Partei zerstört, was bei uns bisher selbstverständlich ist.“ Das Ziel von „klugen und reflexiven“ Erinnerungsprojekten müsse jetzt sein: „Kein Bauer wählt mehr blau“. (00/2901/28.09.2024)