Artikel teilen:

Verfassungsurteil: US-Drohnen dürfen über Ramstein gesteuert werden

Die Verfassungsbeschwerde gegen die Steuerung von Kampfdrohnen über die US-Airbase Ramstein ist gescheitert. Dennoch könnte das Grundgesetz künftig auch Ausländer im Ausland schützen. Unter engen Bedingungen.

Die USA steuern ihre Kampfdrohnen im Jemen und Nahost auch mittels Militärtechnik in Deutschland: über eine Satellitenstation auf dem Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz. Zwei Jemeniten, deren Angehörige 2012 in ihrem Heimatdorf durch eine US-Drohne getötet wurden, wandten sich nun an das Bundesverfassungsgericht.

Sie sahen eine deutsche Mitverantwortung für schwere Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht – konkret für die Tötung von unbeteiligten Zivilisten. Ihre getöteten Verwandten seien keine Al-Kaida-Terroristen gewesen, sondern hätten sich sogar gegen die Terrormiliz im Jemen engagiert.

Das Bundesverfassungsgericht hat ihre Verfassungsbeschwerde am Dienstag in einem Grundsatzurteil allerdings abgewiesen. Und gleichzeitig erstmals Leitlinien formuliert, wonach das deutsche Grundgesetz in Einzelfällen und unter besonderen Umständen auch Ausländer im Ausland schützt. Deutschland könnte dann also verpflichtet sein, das völkerrechtswidrige Handeln von Staaten und Akteuren im Ausland zu stoppen.

Für eine solche Schutzwirkung des Grundgesetzes gelten laut dem Urteil des Zweiten Senats des Verfassungsgerichts aber zwei sehr hohe Hürden: Erstens muss der deutsche Staat direkt an den durch Dritte verübten Menschenrechtsverletzungen beteiligt sein. Und zweitens müssen die Handlungen eines dritten Staates die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht systematisch verletzen.

Beide Bedingungen sah das Verfassungsgericht im konkreten Fall nicht erfüllt. Denn das militärische Handeln der USA im Jemenkonflikt sei kein offensichtlicher oder systematischer Verstoß gegen Völkerrecht, so die Richterinnen und Richter.

Ob die deutsche Überlassung des Militärstützpunkts Ramstein an die USA, beziehungsweise das Weiterleiten von Drohnen-Steuerungssignalen eine etwaige deutsche Beteiligung an Menschenrechtsverstößen darstellt, blieb vorerst unklar. Denn das Verfassungsgericht prüfte dies nicht im Detail. Gesteuert werden die Kampfdrohnen, die Raketen abfeuern können, von Piloten in den USA. In Ramstein werden aber die Steuerungssignale verarbeitet und weitergeleitet.

Für die Bundesregierung sprach der Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Nils Schmid, von einem wichtigen Urteil. Es stelle klar, dass die deutsche Außenpolitik immer auf die Einhaltung des humanitären Völkerrechts dränge. Gleichzeitig gebe das Urteil der deutschen Sicherheitspolitik “die notwendige Beinfreiheit”, militärische Bündnisse einzugehen, sagte Schmid. Was in der aktuellen weltpolitischen Lage besonders wichtig sei.

Auch das Urteil des Verfassungsgerichts beschrieb die “Bündnisfähigkeit” Deutschlands als hohes Verfassungsgut. Daher habe die Bundesregierung einen weit bemessenen Spielraum, entsprechende internationale Bündnisse zu schließen.

Der Anwalt der jemenitischen Kläger, Andreas Schüller, nannte das Urteil schmerzlich und enttäuschend. “Meine Mandanten leben in ihrem Heimatdorf seit 13 Jahren unter den über ihren Köpfen kreisenden Kampfdrohnen. Diese ständige Angst wird bleiben.” Er räumte zugleich ein, dass das US-Militär bei Drohneneinsätzen mehr Rücksicht auf Zivilisten nehme als noch vor einigen Jahren.

Gleichzeitig hätten die beiden Jemeniten einen wichtigen Teilerfolg errungen, betonte der Anwalt. Denn das Karlsruher Urteil formuliere durch die neue Schutzpflicht Deutschlands klare Leitlinien für künftige Menschenrechtsverletzungen, so Schüllers Erwartung. “Nach dem heutigen Urteil kann es Situationen geben, bei denen Menschen- und Völkerrechtsverletzungen im Ausland vor deutsche Gerichte kommen.” Insofern könnten die Kläger stolz sein.