Verfassungsreferendum im Tschad von Angst vor Gewalt überschattet

Wenn die Bevölkerung im Tschad am Sonntag über einen neuen Verfassungsentwurf abstimmt, steht das Ergebnis nach Einschätzung des Politikexperten Alatara Fortunat bereits fest. Die Regierung habe die Richtung klar vorgegeben, sagt der tschadische Journalist, der sich seit langem mit der politischen Entwicklung seines Landes befasst, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Abgestimmt werden soll im Kern darüber, ob das Land zu einem dezentralisierten Einheitsstaat werden soll oder der Übergang zu einem föderalen Staat Rückenwind bekommt. Problematisch sei jedoch, wie die Regierung die Abstimmung vermittle, erklärte Fortunat: „Demnach unterstützen alle, die für den Einheitsstaat abstimmen, die Einheit des Landes. Wer ein föderalistisches System befürwortet, will die Spaltung.“ Es sei gar nicht richtig bekannt, worüber genau abstimmt wird, fügte er hinzu. Spaltung oder Einheit, das sei die einzige Information, die in Dauerschleife laufe.

Das eigentliche Ziel des von der Militärjunta organisierten Referendums ist nach Einschätzung des US-Regierungsinstituts Africa Center for Strategic Studies, die jetzige Regierung auf unbestimmte Zeit an der Macht zu halten. In einem im November veröffentlichten Bericht der Analysten heißt es, das Referendum diene dazu, diesem Schritt einen Anstrich von Glaubwürdigkeit zu verleihen. Auch Fortunat nennt die Kampagne eine Vorbereitung auf einen „Sieg mit der Brechstange“.

Organisierte Protestmärsche seien verhindert oder schnell aufgelöst worden, weswegen Befürworter eines föderalistischen Systems kaum Chancen gehabt hätten, ihre Argumente kundzutun, berichtete Fortunat. Etliche Oppositionspolitiker riefen daher zum Boykott der Abstimmung auf. Hinzu kommen Berichte über Unregelmäßigkeiten bei der Registrierung von Wählerinnen und Wählern, Schwierigkeiten bei der Abholung von Wählerkarten und mangelhafte Computersysteme.

Präsident Mahamat Déby gelangte im April 2021 nach dem Tod seines Vaters, Präsident Idriss Déby, durch einen Putsch an die Macht und setzte die Verfassung außer Kraft. Aus Frustration über eine vom Militär ausgerufene Übergangsperiode und verschobene Wahlen kam es am 20. Oktober 2022 zu Massenprotesten, die blutig niedergeschlagen wurden. Der Tag, auch bekannt unter dem Namen „Jeudi Noir“ (schwarzer Donnerstag), hat sich in das Gedächtnis der Bevölkerung eingebrannt.

Mehr als achteinhalb Millionen Wahlberechtigte sind am 17. Dezember aufgerufen, ihre Stimme abzugeben – viele davon jung, arbeitslos und frustriert von der anhaltend schwierigen wirtschaftlichen und politischen Lage im Land. „Wichtig ist aber vor allem“, sagte Fortunat, „dass es nicht zu einem zweiten ‚Jeudi Noir‘ kommt.“