Verfassungsgericht stärkt Rechte leiblicher Väter

Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte leiblicher Väter gestärkt. Sie müssen laut einem am Dienstag verkündeten Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine von einem anderen Mann übernommene rechtliche Vaterschaft anfechten können. Es verstoße gegen das Elterngrundrecht, wenn ein biologischer Vater zu seinem Kind eine sozial-familiäre Beziehung aufgebaut habe, ihm wegen eines neuen Lebensgefährten der Mutter aber verwehrt sei, selbst rechtlicher Vater zu werden, entschieden die Karlsruher Richter (AZ: 1 BvR 2017/21). Dem Gesetzgeber sei es verfassungsrechtlich nicht verwehrt, allen drei Personen die rechtliche Elternschaft zuzuerkennen.

Im konkreten Fall ging es um einen unverheirateten Mann aus Sachsen-Anhalt, der sich nach eigenen Angaben seit der Geburt seines Sohnes im April 2020 intensiv um das Kind gekümmert hat. Die Beziehung mit der Mutter zerbrach kurz nach der Geburt. Der neue Lebensgefährte zog in den Haushalt der Frau mit dem Sohn und weiteren fünf Geschwistern ein.

Als der biologische Vater seine Vaterschaft anerkennen lassen wollte, erschien die Mutter nicht zum vereinbarten Termin am Standesamt. Der Ex-Partner leitete daraufhin ein gerichtliches Vaterschaftsfeststellungsverfahren ein. Die Mutter kam einer gerichtlichen Entscheidung zuvor, mit ihrer Zustimmung erkannte ihr neuer Partner die rechtliche Vaterschaft an. Damit war ein Sorgerecht des biologischen Vaters ausgeschlossen. Ihm steht nur ein sehr eingeschränktes Umgangsrecht zu. Er kann seinen Sohn derzeit nur alle zwei Wochen für jeweils drei Stunden sehen.

Das Oberlandesgericht Naumburg bestätigte, dass der neue Partner der Frau als rechtlicher Vater gelte. Der Mann habe bereits eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind aufgebaut und sogar Elternzeit genommen. In solch einem Fall sei es ausgeschlossen, dass der biologische Vater die rechtliche Vaterschaft des anderen Mannes anfechten könne.

Damit werde jedoch das Elterngrundrecht des biologischen Vaters in verfassungswidriger Weise verletzt, urteilte das Bundesverfassungsgericht nunmehr. Dieses Grundrecht stehe biologischen Vätern auch dann zu, wenn sie nicht rechtliche Väter sind.

Sei ein anderer Mann rechtlicher Vater, „muss dem leiblichen Vater ein Verfahren zur Verfügung stehen, das ihm grundsätzlich die Erlangung der rechtlichen Vaterschaft ermöglicht“. Dies gelte erst recht, wenn der biologische Vater bereits eine sozial-familiäre Bindung zum Kind aufgebaut oder sich frühzeitig darum bemüht habe. Dem Gesetzgeber sei es nicht verwehrt, beiden die rechtliche Elternschaft zuzuerkennen.

Die Karlsruher Richter kippten eine Bestimmung zur Vaterschaftsanfechtung, die allerdings bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber bis zum 30. Juni 2025 in Kraft bleibt. Bis dahin können Betroffene die Aussetzung ihres bereits eingeleiteten Anfechtungsverfahrens beantragen.

Die Ampel-Koalition hat sich bereits eine Reform des Abstammungs-, Familien- und Sorgerechts vorgenommen. Im Januar präsentierte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) Eckpunkte, wonach leiblichen Vätern die Anerkennung der Vaterschaft erleichtert werden soll – in Konstellationen, in denen die Mutter des Kindes mit einem anderen Mann und nicht dem leiblichen Vater verheiratet ist.

Bislang ist automatisch der Ehemann rechtlich der Vater und selbst bei Einigkeit aller Beteiligten ist ein Scheidungsantrag oder ein aufwendiges Gerichtsverfahren notwendig, um den leiblichen Vater zum rechtlichen Vater werden zu lassen.

Eine Anfechtung soll nach Buschmanns Plänen künftig zudem auch nicht mehr zwingend ausgeschlossen sein, wenn eine sozial-familiäre Beziehung des Kindes zum rechtlichen, aber nicht leiblichen Vater besteht.