Verfassungsbeschwerde: Wer darf wann Vaterschaft anfechten?

Das Bundesverfassungsgericht befasst sich am Dienstag in einer mündlichen Verhandlung mit den Rahmenbedingungen und Regeln zur Anfechtung der Vaterschaft. Im Hintergrund steht eine wachsende Zahl von Gerichtsverfahren, in denen Männer um die rechtliche Vaterschaft eines Kindes streiten. Etwa wenn sich der leibliche Vater und die Mutter während der Schwangerschaft oder rund um die Geburt trennen und ein neuer Partner die Vaterschaft übernommen hat.

Sind die Eltern eines Kindes zum Zeitpunkt der Geburt nicht verheiratet, liegt die rechtliche Elternschaft alleine bei der Mutter. Die Vaterschaft muss dann in einem eigenen formalen Akt beantragt werden. Weil die Elternschaft grundsätzlich nur bei höchstens zwei Personen liegt, kann es zum Streit kommen.

Laut Gesetz kann der biologische Vater eine bestehende Vaterschaft jedoch nicht anfechten, wenn das Kind eine „sozial-familiäre Beziehung“ zum juristischen Vater hat. Ab wann und unter welchen Umständen eine solche Beziehung besteht, ist Gegenstand der nun verhandelten Verfassungsbeschwerde.

Konkret geht es um die Beschwerde des biologischen Vaters eines 2020 geborenes Kindes. Er will auch dessen rechtlicher Vater werden und an die Stelle des aktuellen rechtlichen Vaters treten. Die Mutter ließ, nachdem sie sich unmittelbar nach der Geburt des Kindes von dem Mann trennte, ihren neuen Lebenspartner als rechtlichen Vater anerkennen. Auch verwehrt die Mutter ihrem Ex-Partner jeden Umgang, nachdem er anfangs das Kind täglich mehrere Stunden betreut hatte. Die Klage des leiblichen Vaters hatte vor dem Amtsgericht Erfolg. Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt hob diese Entscheidung auf und bestätigte die Vaterschaft des neuen Partners.

Der Erste Senat will die Frage in den Blick nehmen, wann und wie sich stabile Eltern-Kind-Beziehungen entwickeln und welche Bedeutung die rechtliche Vaterschaft für eine emotionale Bindung hat. Die Richter wollen Experten auch grundsätzlich zu den Folgen von Streitigkeiten um die Elternschaft befragen. Die Bundesanwaltskammer bezeichnete die Verfassungsbeschwerde begründet.