Verein “Lobbi” registriert mehr rechte Angriffe in MV
Die Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern („Lobbi“) hat im ersten Halbjahr 2024 bereits 89 rechte Angriffe registriert. Von den Attacken seien 126 Menschen betroffen gewesen, wie der Verein „Lobbi“ am Mittwoch in Neubrandenburg mitteilte. Damit bewege sich die Angriffszahl schon nach sechs Monaten etwa in der Höhe des jährlichen Durchschnitts der vergangenen zehn Jahre, hieß es. Hochgerechnet für das Jahr 2024 sei somit aktuell ein „trauriger Allzeit-Rekord rechter Angriffe“ seit Gründung des Vereins „Lobbi“ im Jahr 2001 zu erwarten. Im gesamten Jahr 2023 waren insgesamt 113 rechte Angriffe erfasst worden.
Rassismus sei von Januar bis Juni 2024 bei 52 Angriffen das maßgebliche und somit auch das mit Abstand häufigste Tatmotiv gewesen, hieß es. Auffällig seien auch mehr Angriffe gegen vermeintliche politische Gegner der Rechten. „Mit 22 Angriffen waren sie deutlich häufiger Ziel rechter Gewalt als im Jahr 2023 (16)“, erklärte der Verein. Regionale Schwerpunkte rechter Angriffe seien neben Schwerin und Rostock die Landkreise Vorpommern-Rügen und Vorpommern-Greifswald. Allein in Stralsund habe „Lobbi“ zehn Angriffe registriert.
„Wir blicken jetzt schon auf eine Eskalation rechter Gewalt, wie wir sie zuletzt in den Jahren 2015 und 2016 registrieren mussten“, sagte „Lobbi“-Mitarbeiter Robert Schiedewitz laut Mitteilung. „Wir gehen davon aus, dass die aggressive Stimmung der extremen Rechten im Wahlkampf und die Wahlerfolge“ rechter Parteien und Wählerbündnisse bei den Kommunal- und Europawahlen „zu dieser alarmierenden Verschärfung beigetragen haben – gepaart mit der zunehmend auf Kosten“ von Migrantinnen und Migranten „ausgetragenen politischen Auseinandersetzung auf Bundesebene“, sagte Schiedewitz.
Beispielsweise sei im vorpommerschen Loitz im Juni ein Mann aus Afghanistan zunächst auf einer Kreuzung von einem Fußgänger zum Anhalten seines Autos genötigt und von diesem und einem weiteren Unbekannten rassistisch angepöbelt worden, hieß es vom Verein. Als er es geschafft habe zu flüchten, sei er verfolgt, ausgebremst und verletzt worden, als drei Personen mit Gegenständen auf sein Auto eingeschlagen hätten. In Loitz habe es bereits im Vorjahr eine rassistische Hetzkampagne im Zusammenhang mit der Unterbringung Geflüchteter und unmittelbar nach deren Bezug auch Anschläge auf die Unterkunft in einer alten Schule gegeben.
Die „aktuelle Konjunktur rechter Gewalt“ sei „ein klarer Hinweis“ darauf, dass rechte Gewalttäterinnen und -täter „ihre Selbstsicherheit und vermeintliche Legitimation aus dem gesellschaftlichen Klima und den Frames aktueller Diskurse ableiten“, erklärte „Lobbi“. Die Wahlergebnisse mit teilweise 40 bis 50 Prozent Zustimmung für extrem rechte Parteien und Akteure machten für potenziell Betroffene rechter Gewalt zudem eine existenzielle Bedrohung in einem neuen Ausmaß sichtbar. Ihre Schutzräume würden in Zukunft vermehrt in Frage gestellt werden, es bestehe die Gefahr, dass sich vulnerable Communities aus der Öffentlichkeit zurückziehen. In vielen Orten sei dies bereits der Fall.
Zudem würden Angriffe wegen des Tragens einer Regenbogen-Fahne, Sachbeschädigungen an queerfreundlichen Einrichtungen bis hin zur Brandstiftung wie vergangene Woche in Rostock „auf eine besorgniserregende Entwicklung und eine klare Feindmarkierung in Richtung der LGBTIAQ+-Community und ihrer Allies“ hinweisen, hieß es.
„Solidarität mit den Betroffenen und ein breites, aktives Engagement aus der Zivilgesellschaft und eindeutige Rückendeckung aller demokratischer Parteien müssen anstelle rassistischer oder queerfeindlicher Spaltung der Gesellschaft und eines Unterbietungswettbewerbes im Asylrecht und bei Sozialleistungen treten“, forderte Schiedewitz. Dazu gehöre nicht zuletzt auch die Absicherung demokratiefördernder Projekte und der Opferschutzorganisationen.