Unterrichtsstörung

Ich unterrichte ja jetzt Religion an einer Grundschule. Weil ich Pfarrerin werden will und das dazugehört. Seit fünf Monaten bin ich dabei und der Schulalltag hat mich fest im Griff. Im Großen undGanzen macht das riesigen Spaß. Die Schülerinnen und Schüler – im Pädagogenslang wird das mit„SuS“ abgekürzt und auch wenn ich dabei an Pferde denken muss, kürze auch ich so ab – sindunglaublich lieb und schlau … Von Frau Kirsche

Von Frau Kirsche

Ich unterrichte ja jetzt Religion an einer Grundschule. Weil ich Pfarrerin werden will und das dazugehört. Seit fünf Monaten bin ich dabei und der Schulalltag hat mich fest im Griff. Im Großen undGanzen macht das riesigen Spaß. Die Schülerinnen und Schüler – im Pädagogenslang wird das mit„SuS“ abgekürzt und auch wenn ich dabei an Pferde denken muss, kürze auch ich so ab – sindunglaublich lieb und schlau. Ich beneide sie täglich um ihr junges Gehirn. Wie ein Schwammsaugen sie sämtliche Informationen auf. Haupt- und Nebeninformationen stehen oft gleichwertignebeneinander. Warum auch nicht.

Aber letzte Stunde, da war was los. Da ist mir mal fast der Arsch geplatzt. Ich war echt gutvorbereitet und dann veranstalten die SuS ein Chaos, dass mir Hören und Sehen verging. AnUnterricht war nicht zu denken. Das war sie, die berühmte „Unterrichtsstörung“: Es gibt ganzeLehrbücher über sie, bloß dass mein Unterricht noch nicht einmal angefangen hatte. Da stand ichvor der Tafel und die Stunde konnte einfach nicht losgehen, weil es verdammt noch mal nicht ruhigwurde.

Die gesamte Bande der SuS zerlegte mir den Religionsraum. Der Religionsraum an meinerSchule ist eigentlich eher eine Art Spielzimmer, mit Matten, Decken und Allerlei zum Chaosveranstalten. Und das taten sie auch. Was sollte ich also sagen bzw. sollt ich brüllen? So tolleSprüche wie „Ich glaub ich guck nicht richtig.“ oder „Ich glaub es schlägt 13.“ Alles Mist. Was solldas überhaupt bedeuten: Es schlägt Dreizehn?

Da stand ich nun und hab überlegt, wie es zu meiner Schulzeit war. Denn ich war mal einer vonihnen. Welche Lehrer habe ich respektiert und welche waren mit ihrer scheinbaren Autorität einfachnur lächerlich?

So habe ich schlussendlich gewartet, während die SuS weiter den Religionsraum auf den Kopfstellten. Dann bin ich langsam auf einen Tisch zugegangen, habe mir ein Hausaufgabenheft voneinem Schüler genommen und es auf den Lehrertisch gelegt. Dieser Schüler hat sich dann aberstante pede hingesetzt. Dann bin ich zum nächsten Tisch gegangen. Aber da war das Spiel schonfast vorbei. Alle haben sich allmählich beruhigt und hingesetzt. Wahnsinn! Es war wie Magie. Vonden Hausaufgabenheften ging eine solche Kraft aus, um die ich soooo dankbar war.

Danke liebe Eltern, dass eure Kinder Angst vor euch haben. Oder nennen wir es die natürlicheAutorität, die ich mir borgen konnte. Der Schüler hat dann auch keinen Eintrag bekommen. Warumauch. Ich hatte ja nicht mal einen roten Stift dabei, aber das wusste zum Glück niemand.