Und was ist mit Gott?

Der Gottesbezug in der Präambel schließt Bundesbürger, die keine Religion haben, nicht aus. Trotzdem gibt es immer wieder Diskussionen um das Thema

Es sei „die feinste Stelle“ des Grundgesetzes, in der Gott genannt wird, schrieb der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht Gottfried Mahrenholz 2009 in einem Beitrag für die Zeitschrift „Neue Gesellschaft – Frankfurter Hefte“: in der Präambel. Auch wenn umstritten ist, ob dieser Vorspruch zum eigentlichen Gesetzestext gehört, so ist doch allgemein anerkannt, dass er mindestens dessen Sinn und Zweck definiert und ihm seine rechtliche und politische Bedeutung verleiht.
„Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“: Immer wieder gab und gibt diese Formulierung Anlass zu Diskussionen. Wie kann es sein, dass Gott zur Richtschnur einer säkularen Verfassung wird? Was haben die Väter und Mütter, die so viel aus der Paulskirchenverfassung von 1849 und aus der Weimarer Verfassung von 1919 übernommen haben, sich dabei gedacht, Gott hinzufügen?
Die banalste Erklärung wird dem ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss zugeschrieben, der von einer „profanen Liturgie“ gesprochen und gefordert hat, die Präambel müsse etwas Feierliches haben. Mindestens ebenso relevant für die Aufnahme des Gottesbezuges war 1949 sicherlich der zeitgeschichtliche Hintergrund: Man habe, so Mahrenholz, der „verbrecherischen Gottlosigkeit“ des Nationalsozialismus die Nennung Gottes entgegensetzen wollen. Demut, das Bewusstsein menschlicher Fehlbarkeit – all das klingt mit in der Präambel.
Auch wenn man davon ausgehen muss, dass die Väter und Mütter des Grundgesetzes damals den christlichen Gott vor Augen hatten, ging es nicht darum, diesen Gott als „Urgrund allen Rechts“ zu definieren. „In Verantwortung vor Gott“, so sagte der Verfassungsrechtler Horst Dreier im Deutschlandfunk, solle ja nur zeigen: „Wir sind uns bewusst, dass wir hier möglicherweise mit dem Grundgesetz Antworten auf die vorletzten Fragen geben, aber die Antworten auf die letzten Fragen, die metaphysischen Fragen, die können wir nicht leisten.“
Also liegt kein Widerspruch zwischen der säkularen Verfassung und dem Gottesbezug in der Präambel? Nicht nur, weil es sich dabei lediglich um „denkbar knappe“ Nennung Gottes, aber keine Anrufung handele, wie Gottfried Mahrenholz betont. Viel wichtiger für den Juristen ist, dass der Verfassungstext ja die Präambel auslege. Die Absage an Staatsallmacht etwa und die Absage an den Atheismus seien „dem Grundgesetz selbst inhärent“.
Und was ist mit dem Recht von Atheisten, mit Gott nicht behelligt zu werden? Dieses Recht werde den Menschen ja überhaupt nicht genommen, meint Horst Dreier. Und zwar weil die Erwähnung Gottes in der Präambel „nur die kleinste Kleinigkeit von der religiösen und weltanschaulichen Freiheit“ des Grundgesetzes (Artikel 4) wegnehme. Schließlich sei gewährleistet, zu glauben und nicht zu glauben, einen Glauben zu praktizieren und nicht zu praktizieren. Und alles, was für religiösen Glauben gelte, gelte nach dem Grundgesetz für Weltanschauungserkenntnisse ebenfalls.