Und um den Hals ein weißes Wagenrad

Sie sind teuer, schwer zu reinigen und unbequem. Dennoch tragen einige Pastoren in Hamburg und anderen Hansestädten noch eine Halskrause – eine Tradition mit einem kuriosen Ursprung.

Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs  wird am Ostersonntag (9. April, 10 Uhr) in der Hamburger Hauptkirche St. Michaelis predigen
Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs wird am Ostersonntag (9. April, 10 Uhr) in der Hamburger Hauptkirche St. Michaelis predigenStephan Wallocha / epd

Hamburg / Lübeck / Stralsund. Ein Hingucker ist das weiße Wagenrad um Bernd Lohses Hals auf jeden Fall: Aus etwa 200 kleinen Schleifen besteht die Halskrause, die der Pastor immer zum schwarzen Talar trägt, wenn er in seiner Hamburger Gemeinde St. Jacobi predigt. Für die Pastorinnen und Pastoren der Hauptkirchen ist das Tragen des großen Kragens Pflicht. Auch evangelische Pastoren in anderen Teilen der Nordkirche halten an der 400 Jahre alten Tradition fest.

Dabei ist die Anschaffung und Reinigung einer Halskrause deutlich teurer als die der schlichteren Halsbinde, des „Beffchen“. Das Hamburger Ornat, das aus einem Unterkleid, einer Art Mantel und der Halskrause besteht, kostet rund 2.500 Euro. Der preußische Talar mit Beffchen, der in den meisten Gemeinden der Nordkirche getragen wird, liegt bei 1.000 Euro. Anschaffung und Reinigung ihrer Amtstracht müssen die Pastoren selbst finanzieren.

Waschmaschine? Nicht für die Halskrause!

Während das Beffchen in die Waschmaschine darf, steckt hinter der Krausen-Reinigung echtes Handwerk. Bis vor 20 Jahren war die Frau des Küsters am Hamburger Michel mit dieser Aufgabe betraut. Als sie starb, bat die damalige Hamburger Bischöfin Maria Jepsen die kirchliche Mehrzweckeinrichtung Rathauspassage, die Tradition weiterzuführen.

Echte Handarbeit: Gundel Purgold aus Lübeck weiß, wie man Halskrausen in Form bringt
Echte Handarbeit: Gundel Purgold aus Lübeck weiß, wie man Halskrausen in Form bringtMarieke Lohse / epd

„Die Technik haben wir uns mühsam angeeignet“, sagt Gudrun Stefaniak, Geschäftsführerin der Rathauspassage. Flecken in der Krause wie Blut, Wachs und Make-up werden zunächst unterschiedlich vorbehandelt. Dann werden die aus Leinen oder Baumwolle bestehenden Krausen bei 100 Grad Celsius gekocht. Wenn sie noch leicht feucht sind, werden sie gestärkt und „getollt“. Durch diesen Vorgang erhält der Stoff seine Schleifen zurück. Dazu wird der Stoff um Metallstäbe gelegt, die in einem Spezialofen erhitzt wurden. Allein das Tollen dauert je nach Krausengröße bis zu drei Stunden.

In der gesamten Nordkirche beherrschen nur noch zwei Frauen dieses Handwerk. Die ehemalige Küsterin Gundel Purgold in Lübeck und Daniela Kiunke in Hamburg, die im Auftrag der Rathauspassage tollt. Beide haben besonders vor Weihnachten und Ostern viel zu tun. Kiunke reinigt etwa 200 Krausen jährlich, Purgold 40. Die Frischebehandlung einer Halskrause dauert bis zu drei Wochen und kostet zwischen 60 und 70 Euro.

Puderstaub aus der Perücke

Dabei hat das Wagenrad, wie die Halskrause auch genannt wird, längst ihre ursprüngliche Funktion verloren. Denn die Tradition hat einen kuriosen Ursprung: Sie wurde in der Renaissance erfunden, um dem Träger Würde zu verleihen und den Puderstaub der damals üblichen Perücke aus der prächtigen Kleidung fernzuhalten.

Doch nach und nach ging es den Halskrausen an den Kragen, heute sind sie nur noch bei Pastoren in Hamburg und Lübeck sowie vereinzelt in Gemeinden anderer Hansestädte wie Greifswald und Stralsund zu sehen. Der Kirchengemeinderat von St. Nikolai in Stralsund entschied sich vor eineinhalb Jahren, schwarzen Talar und Halskrause gegen hellere Gewänder zu tauschen. „Einige Gottesdienstbesucher vermissen die Halskrausen“, sagt Pastor Albrecht Mantei. Sie sollen in St. Nikolai wahrscheinlich nur noch an hohen Feiertagen zum Einsatz kommen.

Bernd Lohse
Bernd LohseNadine Heggen / epd

In Hamburg sind es zwischen 60 und 70 Pastoren, die noch Halskrause tragen. Immer wieder gab es Diskussionen, sie abzuschaffen. Für Pastor Bernd Lohse ist sie eine wichtige Tradition, die die Trennung von Staat und Kirche nach Martin Luther symbolisiert. „Sie befreit uns aus der Beliebigkeit von Moden und erinnert uns daran, dass wir Teil einer langen Geschichte sind, die noch längst nicht zu Ende ist“, sagt Lohse. (epd)