Und ewig lockt die Theologie

Gestern noch Württembergs Landesbischof mit Sieben-Tage-Arbeitswoche, heute Pensionär – der umtriebige Theologe Frank Otfried July muss sich an den Ruhestand erst noch gewöhnen.

Der frühere Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Frank Otfried July, in seinem Haus im fränkischen Windsbach.
Der frühere Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Frank Otfried July, in seinem Haus im fränkischen Windsbach.epd-bild / Marcus Mockle

Es gibt Tage, da wundert sich Frank Otfried July, dass er nichts tun muss – keine Besprechung, kein Termin, kein Gottesdienst, kein Interview. 17 Jahre lang war er Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, 17 Jahre lang war er praktisch rund um die Uhr ansprechbar. Seit einem halben Jahr lebt der Ruheständler nun mit seiner Frau Edeltraud in seinem neuen Domizil im fränkischen Windsbach.

Erst vor wenigen Tagen vibrierte es wieder in ihm, als bei einem Brand in einem diakonischen Fachpflegeheim in Reutlingen drei Menschen starben. „Da musste ich an meinen Nachfolger Ernst-Wilhelm Gohl denken“, sagt July im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Denn in Leid und Katastrophen habe das Bischofsamt eine besondere Bedeutung. „Wo eine Gesellschaft Worte sucht, können wir ihr Worte aus dem Glaubenstrost geben“, erläutert der Bischof und erinnert sich an Andachten und Gottesdienste, zu denen er 2009 nach dem Amoklauf von Winnenden dorthin fuhr.

Nun wird gekocht und italienisch gelernt

Doch das ist Geschichte. July verbringt heute viel Zeit im Windsbacher Haus, das ursprünglich von der Familie der Schwiegertochter gebaut wurde. Das Erdgeschoss haben die Pensionäre so umgestaltet, dass es sich auch noch mit den Gebrechlichkeiten des Alters dort wohnen lassen wird. Im Obergeschoss hat der Altbischof viele Regalmeter mit Büchern gefüllt und seine kleine Privatsammlung an erlesenen Füllfederhaltern und Kugelschreibern deponiert. Außerdem steht dort ein Schreibtisch mit zwei Arbeitsplätzen, an dem sich Frank Otfried und Edeltraud July manchmal gegenübersitzen.

An seinen zwei Altersvorhaben – Kochen und Italienisch lernen – arbeitet der 68-Jährige. Freunde und Mitarbeiter haben zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen und ihm zur Verabschiedung Kochbücher geschenkt, in italienischer Sprache. July mag das Italienische. Nicht nur, weil es sich in seinen Ohren wunderschön anhört, sondern weil er auch manchmal in Rom war und im Ruhestand weitere Reisen in das Land am Mittelmeer plant. Mit einer App auf seinem Smartphone arbeitet er an seiner Sprachfähigkeit.

Von Hundert auf Null musste der Theologe ohnehin nicht abbremsen. Noch hat er etwa den Vorsitz im Deutschen Nationalkomitee des Lutherischen Weltbunds (LWB) – ein Amt, das ihn Anfang des Jahres nach Auschwitz zu einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Holocaust führte. Den Vorsitz will er bis zur Vollversammlung des LWB im September in Krakau behalten. Auch die Luther-Akademie Sondershausen-Ratzeburg leitet er bis auf Weiteres.

Windsbach liegt für den Theologen July ideal

Weil die kirchliche Augustana-Hochschule Neuendettelsau nur acht Kilometer entfernt steht, hat er kurze Wege zu einer Bibliothek und vor allem zu theologischen Zeitschriften. Ob er noch ein Buch schreiben wird, ist nicht ausgemacht, doch juckt es ihm in den Fingern, zum Thema Ökumene eine Mischung aus theologischer Reflexion und persönlichen Erfahrungen zu verfassen.

Auch in der lutherischen Kirchengemeinde von Windsbach ist der frühere Landesbischof angekommen. Durch den im Ort beheimateten berühmten Windsbacher Knabenchor bieten sich immer wieder Kulturveranstaltungen von besonderer Güte an. Zu den Besonderheiten des Orts zählt nun, dass Windsbachs evangelischer Dekan Klaus Schlicker selbst Bischof werden möchte – als Nachfolger von Heinrich Bedford-Strohm in der Evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern.

Julys Kalender ist nicht blank. Als Prediger hat er sich bereits wieder einladen lassen, so Anfang Februar beim Bauerntag in Wolpertshausen bei Schwäbisch Hall und am Sonntag darauf in der Windsbacher Kirche. Im März wird er ein paar Tage dienstlich in Oxford sein. Im Juni steht im Vatikan seine Verabschiedung als Verbindungsmann zwischen Katholiken und Lutheranern an. Da kann er gleich testen, wie weit ihn seine jüngst erworbenen Italienischkenntnisse bringen.