Israel hat eine Großoffensive im Gazastreifen angekündigt und Menschen aufgefordert aus der Stadt Gaza zu fliehen. Das sei kaum möglich kritisieren UN-Vertreter und Nichtregierungsorganisationen.
Angesichts einer drohenden Großoffensive Israels im Gazastreifen warnen UN-Vertreter vor hohen Opferzahlen in der Zivilbevölkerung. Für fast eine Million Menschen gebe es keine sicheren oder praktikablen Optionen mehr, weder im Norden noch im Süden, erklärte das Landesteam des UN-Büros für die Koordination humanitärer Angelegenheiten (OCHA) am Mittwoch. Die israelische Regierung bot eine entgegengesetzte Darstellung.
Die israelische Koordinierungsstelle für die besetzten Gebiete (COGAT) warf der Hamas vor, sie halte die Menschen im Norden Gazas mit Falschinformationen davon ab, sich “zu ihrer Sicherheit in den Süden zu bewegen”. Die Terrororganisation wolle Zivilisten als menschliche Schutzschilde benutzen. “Hamas bringt die Bevölkerung in Gefahr”, erklärte die israelische Behörde am Mittwoch über den Online-Dienst “X”.
Im Südteil des Landstreifens sei eine weiträumige “humanitäre Zone” mit Platz für Zelte eingerichtet. Die humanitäre Hilfe werde ausgebaut. Essen, Wasser und medizinische Dienste seinen in ausreichendem Umfang vorhanden.
Demgegenüber hieß es von UN-Seite, Israel habe “keine wirksamen Schritte” unternommen, um die Sicherheit der Vertriebenen zu gewährleisten. Die bereitgestellten Dienste reichten nicht einmal für die schon im Süden kampierenden Menschen, geschweige denn für Neuankömmlinge.
Vertreter von Hilfsorganisationen in der Stadt Gaza stützten in einem Video-Pressebriefing am Mittwoch diese Darstellung. Es gebe keine sicheren Gebiete mehr im Gazastreifen, sagte Amjad Shawa, Leiter des Palästinensischen Netzwerks von Nichtregierungsorganisationen (PNGO). Vor allem vom Hunger Geschwächte und Alte hätten keine Möglichkeit, zu fliehen.
Salma Altaweel, Büroleiterin des Norwegian Refugee Council, ergänzte, ein Transfer in den Süden koste bis zu 700 US-Dollar, ein Zelt 1.000 Dollar; dies sei für viele unerschwinglich. Nachdem Israel systematisch Hochhäuser zerstöre, lebten zahlreiche Menschen ohne Schutz in den Straßen. Nur ein Bruchteil der Bewohner habe die Stadt Gaza verlassen. Altaweel äußerte die Einschätzung, mindestens 500.000 Palästinenser würden trotz der israelischen Evakuierungsaufforderung bleiben.
Ähnlich erklärte der Koordinator für Nahrungsmittelhilfe von Oxfam, Mahmoud Alsaqqa, das als Schutzzone ausgewiesene Gebiet sei schon jetzt “überfüllt”, so dass die Menschen nicht dorthin wollten. Lebensmittel blieben für viele unerschwinglich; von den wenigen Hilfstransporten würden 98 Prozent geplündert. Selbst Oxfam könne keine Nahrungsmittel heranführen.
Auch andere Vertreter von Hilfsorganisationen zeichneten ein düsteres Bild. Rami al Shaya, Leitender Arzt an der notfallmedizinischen Abteilung des Al Awda Hospital in Gaza, insbesondere seit der Bombardierung eines Lagerhauses fehle es an grundlegenden medizinischen Gütern wie Verbandsmaterial oder Schmerzmitteln. Patienten stürben selbst nach erfolgreichen Operationen, weil es keine Intensivbetten gebe. Das Personal sei nach zwei Jahren erschöpft.