Gazakrieg: Zwischen Israel und UN herrscht Eiszeit

Eigentlich schlägt beim Gaza-Krieg die Stunde der Vereinten Nationen als Vermittler. Doch zwischen Israel und den UN herrscht Eiszeit. UN-Kommissar Türk sieht Jerusalem in der Verantwortung.

UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, ist über die Lage in Nahost besorgt
UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, ist über die Lage in Nahost besorgtImago / VWPics

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, beklagt das zerrüttete Verhältnis zwischen Israel und den Vereinten Nationen nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023. „Israels Regierung beantwortet meine Briefe nicht“, sagte er in einem Interview mit dem Magazin Der Spiegel. „Ich habe darum gebeten, dass ich nach Israel reisen kann. Auch dass ich ein Team schicken kann, um zu dokumentieren, was dort am 7. und 8. Oktober geschehen ist. Ich habe leider nie eine Antwort bekommen.“

Israels Regierung habe die Beziehungen zu seinem Amt bereits „vor mehr als drei Jahren auf Eis gelegt, lange vor meinem Amtsantritt“, so der Hochkommissar. Er habe zwar ehemalige israelische Geiseln der Hamas und Angehörige von Menschen getroffen, die immer noch in Gaza festgehalten werden. Das sei aber nur außerhalb Israels möglich.

Freund-Feind-Denken verschärft prekäre Situation

Türk wies Vorwürfe der israelischen Regierung zurück, dass die UNO im Gazakrieg einseitig sei und warnte vor einem Freund-Feind-Denken: „Mich beunruhigt ganz allgemein, dass wir immer tiefer in ein binäres Weltbild hineingeraten“, so Türk. „Wenn wir uns zu sehr auf diese Mentalität einlassen, setzen wir die Grundfesten der Weltordnung aufs Spiel, die gerade nach den Erfahrungen der beiden Weltkriege und des Holocaust aufgebaut wurde.“

Der Gazakrieg vertiefe insgesamt die Kluft zwischen den industrialisierten Ländern und dem Globalen Süden. In Gaza herrsche sechs Monate nach dem Angriff der Hamas eine „äußerst prekäre humanitäre Situation“, so der Menschenrechts-Hochkommissar. „Die Welt kann nicht zusehen, wie Menschen verhungern. Diese Verantwortung betrifft vor allem Israel und die Hamas, aber auch alle anderen Staaten, die daran etwas ändern können.“

Katastrophale Bedingungen für humanitäre Hilfe

Türk äußerte sich auch zum Drohnenangriff der israelischen Armee auf einen humanitären Konvoi, bei dem am 1. April sieben Mitarbeiter der NGO „World Food Kitchen“ getötet wurden. „Der Vorfall zeigt, unter welch katastrophalen Bedingungen humanitäre Helfer in Gaza arbeiten“, so Türk. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, so Türk. „Ich hoffe, ja, ich erwarte, dass die von Israel angekündigten Schritte zur Untersuchung dieser Tragödie dies tatsächlich bewirken und sich solche Vorfälle nicht wiederholen.“