Umnutzungen: Wenn Kirchen zu Hotels werden

Was soll mit Kirchen passieren, die nicht mehr für Gottesdienste und Co. gebraucht werden? Unsere Autorin Irmela Hennig konnte vor Ort in Görlitz und Nowogrodziec Beispiele sehen.

Museum of Money in Lissabon/ Portugal in ehemaliger Kirche
Museum of Money in Lissabon/ Portugal in ehemaliger KircheIMAGO / TheNews2

Ein Geldmuseum im portugiesischen Lissabon. Ein Fünf-Sterne-Hotel im niederländischen Maastricht, eine Kunstgalerie im polnischen Elblag, ein Domizil für den Wochenmarkt im sächsischen Grimma: Für manch ehemaliges Gotteshaus haben sich in den vergangenen Jahren ganz unterschiedliche Nutzungsformen ergeben. Denn die einstigen Orte der Anbetung Gottes wurden als solche nicht mehr gebraucht oder gewollt. Wegen der Reformation, wegen politischer Umbrüche und nun zunehmend, weil Gläubige fehlen, um sie zu füllen und zu erhalten.

In diesem Fall werden Kirchen mitunter aufgegeben, profaniert, entweiht, wie die Fachleute sagen. Einige dieser Experten und weitere Interessierte trafen sich Ende September zur „Internationalen Wissenschaftlichen Konferenz“ im ostsächsischen Görlitz und im westpolnischen Nowogrodziec (Naumburg/Queis). „Die Umnutzung der Kirchen in Europa“ war Thema der Zusammenkunft. Konkrete Beispiele dafür fanden sich in beiden Tagungsorten.

Evangelische und katholische Kirchen betroffen

Vor allem evangelische Gotteshäuser in Schlesien standen nach dem Zweiten Weltkrieg leer. Denn ihre Nutzer, die deutschen Protestanten, waren geflüchtet oder vertrieben worden. Die Gebiete östlich von Oder und Neiße wurden von Vertriebenen aus Ostpolen besiedelt. Die machten aus den evangelischen Glaubensstätten mitunter katholische.

Andere Kirchen verfielen, wurden zerstört. Nur einige blieben evangelisch – dienten meistens den wenigen verbliebenen Deutschen für Gottesdienste. Die Umnutzung spielt zumindest für evangelische Gemeinden darum schon lange eine Rolle. Auch in Bolków (Bolkenhain) im Riesengebirge ist die protestantische Kirche jetzt ein Kulturzentrum. Für katholische Kirchen sei das derzeit noch kein Thema, sagt Matthias Donath.

Görlitzer Nikolaikirche jetzt Kulturzentrum

In Görlitz betrifft das die Nikolaikirche mit Wurzeln um 1100. Das heutige Gebäude wurde mit Unterbrechungen ab 1452 errichtet. „Es war erst Mutter-, dann Filial-, dann Begräbniskirche“, so Margrit Kempgen, Görlitzer Oberkonsistorialrätin im Ruhestand. Schließlich wurde es eine Gedenkstätte für Gefallene des Ersten Weltkriegs. Vor allem der historische Friedhof lockt viele Besucher an.

In Nowogrodziec ist die einstige evangelische Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst zur Turnhalle umfunktioniert worden. Saniert wurde kaum, wie polnische Wissenschaftler auf der Tagung informierten. Schließlich schien sie unbenutzbar. Doch die Stadt investierte, restaurierte und baute um. Nun dient der Backsteinbau als Kulturzentrum, wird für Konzerte, Vorträge, Lesungen und Konferenzen genutzt.

Tagungsgebäude in Polen.
Tagungsgebäude in Polen.Irmela Hennig

Auf dem Gebiet des heutigen Polens ereilte das Schicksal der „Entweihung oder Entwidmung“ 1810 zuerst Klöster im Zug der Säkularisation im preußischen Teil Schlesiens. Die Orden verloren Gebäude, Güter und Vermögen. In Nowogrodziec war das dortige Kloster betroffen. Es diente dann als evangelische Schule, wurde später Predigerseminar. Zu Kriegsende stark beschädigt, verfiel das Kloster zur Ruine. Inzwischen versucht ein polnischer Verein, es zumindest teilweise zu sanieren. Der Historiker aus Sachsen sieht im Osten Deutschlands aber künftig Handlungsbedarf.

„In den vergangenen Jahren wurden viele Gotteshäuser hier saniert. Sie sind gut in Schuss. Aber was wird in 30 Jahren?“ Auch er kennt zahlreiche Beispiele für die Umwidmung von Gotteshäusern. Oder auch für die doppelte Nutzung – weltlich und sakral. So wie im brandenburgischen Müncheberg. In der dortigen Kirche der Heiligen Jungfrau Maria finden noch immer Gottesdienste statt, aber auch Kulturveranstaltungen. Ein Teil des Gebäudes beherbergt heute zudem eine Bibliothek.

Verkauf der Kirche bleibt Ausnahme

Konkrete Zahlen zur Profanierung in Sachsen, Brandenburg und Westpolen blieb die Tagung schuldig. „Für Polen gibt es sie nicht“, meint Cesary Królewicz, Pfarrer der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Luba (Lauban), rund 18 Kilometer östlich von Görlitz. Die evangelische Landeskirche Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) führt beispielhaft rund 50 Kirchen auf, die in den vergangenen zehn und mehr Jahren umgenutzt wurden. Viele sind heute Kulturkirche. Die Auferstehungskirche in Berlin-Mitte dient inzwischen als Umweltforum; die Ölbergkirche in Berlin-Kreuzberg als Tonstudio. Das Gotteshaus in Laubst im Kirchenkreis Cottbus ist Dorfgemeinschaftszentrum.

Insgesamt gehören zur EKBO rund 1800 Kirchen, wie Stephan Wache aus dem Pressebüro informiert. Bislang haben Abriss, Um- oder Mitnutzung, Abgabe oder Verkauf nicht die ganz große Rolle gespielt. Das Thema sei aber wichtig, wenn die Zahl der Gemeindemitglieder und auch die Einnahmen künftig vermutlich sinken. Bislang bleiben die meisten Gotteshäuser gewidmet für Gottesdienst und Ähnliches. Es gebe da eine geteilte Nutzung. Verkauf sei die Ausnahme. Werden Kirchen abgegeben, dann meist über einen Erbbauvertrag. Die Entscheidungen dazu fällen in der Regel die Gemeinden vor Ort, auch Kirchenkreis und Landeskirche reden mit. Letztere habe eine Orientierungshilfe zum Thema erstellt.