Umfrage: Tempolimit ja – oder nein?

Die Synode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz berät einen Antrag für Tempolimits. Zudem wird eine kirchliche Selbstverpflichtung für Tempo 100 auf Autobahnen angeregt.

Soll es eine kirchliche Selbstverpflichtung zu einem Tempolimit von 100 KmH auf Autobahnen geben?
Soll es eine kirchliche Selbstverpflichtung zu einem Tempolimit von 100 KmH auf Autobahnen geben?epd-bild/Tim Wegner

Grundsätzlich würde ich mir ein Tempolimit nicht vorschreiben lassen wollen. Als Pfarrer in einer ländlichen Region bin ich viel auf Landstraßen unterwegs. Da fahre ich sowieso ruhig und besonnen, schon aus Gründen der Entschleunigung im stressigen Arbeitsalltag. Auf der Autobahn möchte ich aber die Geschwindigkeit an mein Ziel anpassen. Meine Eltern wohnen 800 Kilometer weit entfernt, da macht es schon einen Unterschied, wie schnell ich fahre. Also zusammengefasst möchte ich situations­bedingt flexibel bleiben – und gegebenenfalls auch mal auf die Tube drücken.

Wolfgang Nier (63), Pfarrer im Pfarrsprengel Lenzen-Lanz-Seedorf im Kirchenkreis Prignitz 

 

Die Umsetzung der Klimaziele rückt in immer weitere Ferne, die Klima-Kipppunkte mit unabsehbaren ­Folgen für künftige Generationen rücken immer näher heran. Natürlich wird das ein Tempolimit nicht allein ändern, aber es wäre ein ­starkes Zeichen für die Bereitschaft, unsere Lebensweise ernsthaft zu ändern. Denn ohne „intelligente Selbstbeschränkung“ wird es nicht gehen. Tempo 100 spart gegenüber Tempo 120 nach Studien des Bundesumweltamtes doppelt so viel CO2 ein. Wenn die Gesellschaft noch nicht so weit ist, können die Christ*innen vorangehen.

Ich bin enttäuscht, dass der EKD-Apparat die Initiative der EKD-­Synode für eine freiwillige Selbst­beschränkung nicht geschickt und mutig aufgegriffen hat. Ich habe viele positive Reaktionen auf diesen Beschluss gehört, auch von Menschen, die weder Christ*innen noch im Hauptberuf Klimaaktivist*innen sind. Wer einen freundlichen Aufkleber „Freiwillig 100 – für das Klima unserer Kinder“ haben möchte, kann einen von mir erhalten 🙂


Frank Schürer-Behrmann, Superintendent des Kirchenkreises Oderland-Spree, Fürstenwalde

 

Ich verstehe nicht, dass es in Deutschland so schwierig ist, die Geschwindigkeiten für Fahrzeuge auf Autobahnen und Landstraßen generell zu begrenzen. Mit dieser Verweigerungspolitik ist Deutschland negativer europäischer „Spitzenreiter“. Die dazu aufgeführten Argumente zur persönlichen Freiheit sind für mich Scheinargumente. Die vorgeschlagenen Maßnahmen dienen dem Allgemeinwohl, denn sie garantieren weniger Verkehrstote, verringern C02-Belastung der Atmosphäre, bringen ­weniger Lärm und Luftverschmutzungen und verstetigen den Straßenverkehrsfluss generell. Neue Verkehrskonzepte für die Innenstädte sind überfällig. 30 km/h ­generell in Verantwortung der Kommunen sind vielerorts erprobt.

Und das alles mit einem recht übersichtlichen Finanzaufwand. Was ist da nicht zu begreifen? Klimaschutz und Gemeinwohl sind für mich immer eine Zukunftsinvesti­tion für uns und besonders für nachfolgende Generationen.


Christian Kirsch (70), Präses der Synode des Kirchenkreises Prignitz und Mitglied der Landessynode, Agrar- und Betriebswissenschaftler, Neustadt

 

Im Kern der Reformation geht es um Freiheit: Wer aus Gnade gerechtfertigt ist, der ist auch frei, Verantwortung zu übernehmen und sich in gesellschaftliche Entwicklungen einzumischen. Dies gilt nach Luther für den einzelnen Christenmenschen. Kirche als Gemeinschaft und Institution muss erkennen, worin ihre Kompetenz liegt und worin nicht und sollte ihre moralische Autorität nicht inflationär einsetzen. Tempolimits im Straßenverkehr liegen außerhalb ihrer Kompetenz. Das Instrument einer Selbstverpflichtung entspricht nicht meinem Bild von kirchlich Mitarbeitenden. Also: Nein.

Ich persönlich als freier Christenmensch fahre auf Autobahnen nicht schneller als 100 und auf Landstraßen nicht schneller als 80 km/h und setze mich politisch für ein generelles Tempolimit ein.


Martin Jenssen (61), Physiker und Lehrer, stellvertretender Schulleiter der Evangelischen Johanniter-Schulen Wriezen, Präses der Kreissynode Oderland-Spree, Pfarrsprengel Alte Oder

 

Ja. Ich bin für ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen. Allerdings: Für die Einführung eines Tempolimits zu sein, ist nicht wirklich eine Befürwortung, sondern die Praxisantwort. Die Straßen, die ein Landpfarrer befährt, verlangen ­sowieso deutlich niedrigere ­Geschwindigkeiten. Der Blick auf ­einen vernünftigen Spritverbrauch macht dies ebenso. Wenn keine ­Material- und Personentransporte nötig sind, wird für Fahrten innerhalb des 20 Kilometer-Radius der Gesamtkirchengemeinde sowieso das E-Bike benutzt. Es wird in dieser Beziehung hier meinerseits nicht wirklich auf irgendetwas verzichtet und demzufolge ist es auch nicht schwer – sogar ein bisschen scheinheilig – würde ich behaupten, hier umweltpolitisch tätig zu sein. Einfach nur ein bisschen vernünftig und ein bisschen sparsam.


Andreas Fünfstück (60), Pfarrer der Kirchengemeinde Arnsdorf, Vierkirchen 

 

Ich würde es sehr begrüßen, wenn die Landessynode beschließt, sich bei der Bundesregierung für ein Tempolimit einzusetzen und mich auch selbst freiwillig dazu verpflichten. Ich sehe dringend die Notwendigkeit, eine Geschwindigkeitsbegrenzung im Bund gesetzlich festzuschreiben. 130 km/h auf Autobahnen ist mehr als überfällig. Tempolimits entlasten nicht nur die Umwelt und den Geldbeutel, auch die Anzahl schwerer Unfälle wird nachweislich reduziert Worauf warten wir noch?


Elisabeth Hackstein (72), Synodale im Kirchenkreis Prignitz, Mitglied in der Arbeitsgruppe Umwelt, Prädikantin und Stiftsfrau im Kloster Heiligengrabe

 

Ich kann Tempolimits nur befürworten. Komplikationsreduktion unter verschiedenen Verkehrsteilnehmern, Verbesserung der Luftqualität, Lärmbekämpfung, Vereinfachung der Verkehrsregeln und Bewahrung der Schöpfung sind nur einige Punkte, die dafür sprechen. Innerorts kann ich mir ein Tempolimit von 30 km/h sehr gut vorstellen, gerade in Städten. Dies würde hoffentlich zu einer Verschiebung hin zu ÖPNV, Fahrrad oder den ­eigenen Füßen führen. Außerorts kann ich mir ein Tempolimit von 70 km/h vorstellen und auf Autobahnen halte ich 100 km/h durchaus für angebracht, aber 120 km/h wäre ebenso ein Anfang. So wäre auch ein klarer Unterschied zwischen den unterschiedlichen Autowegen ersichtlich. Manchmal ist weniger mehr.


Lena Gabbert (27), Zahnärztin und engagierte Christin in Frankfurt/Oder

 

Ich wünsche mir von meiner ­Kirchenleitung keine moralischen Appelle oder Selbstverpflichtungen, sondern echte Hilfe beim umweltgerechten, aktiven, seelsorger­lichen Dienst an den Menschen auf dem Lande. Das wäre aus meiner Sicht ein Elektrodienstwagen mit 9 Sitzen, zum Beispiel der billige Fiat E-Scudo Kombi. Damit könnte ich den Einsamen, Jungen und ­Alten ein CO2-freies Zusammenkommen mit Kaffee und Bibel ­ermöglichen. Sehr umweltgerecht und leise würde ich durch die 17 Dörfer gleiten, um den Menschen die Liebe Jesu zu bringen und dabei 11000 Kilometer im Jahr mein ­Privatauto stehen lassen.


Helmut Kautz (52), Beruf Dachdecker, Pfarrer und Prior, Wohnort Stift Marienfließ

 

Die Kirche hat keine Kompetenz, Anträge an die Bundesregierung für ein beziffertes Tempolimit auf Straßen zu stellen. Es ist die Aufgabe der Kirche, verschiedenste Menschen zusammenzubringen, zu ­begleiten und für sie einzutreten. Sie hat zu ermutigen und Glauben zu stärken. Und – ja, sehr gern – ­eigene politische oder fachliche Kompetenz zu stärken. Ihre Mitglieder können dann in voller Bandbreite diskutieren.

Im Blick auf die Realitäten: Wer im Dienst nicht regelmäßig die ­entfernten Außendörfer erreichen muss, dem ist die Idee vielleicht nachzusehen. Wenn eine Fahrt von Berlin nach Görlitz abgesagt wird, aber selbstverständlich ­erwartet wird, dass man in der Gegenrichtung pünktlich erscheint, der sollte die Thematik etwas komplexer ­begreifen. Das praktische Erlebnis einer Landstraße mit 80 Stundenkilometern oder der Weg durch mehrere Kilometer lange Dorfpassagen mit 30 Stundenkilometern könnte dabei
erhellend wirken. Wichtig wäre ein besser getakteter Nahverkehr im ländlichen Raum.


Ulrich Wollstadt (64), Pfarrer der Evangelischen Versöhnungskirchen-gemeinde Görlitz, Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis, Kunnerwitz