Umfrage: Hälfte jüdischer Gemeinden von Antisemitismus betroffen
Schmierereien und Drohungen: Auch ein Jahr nach dem Überfall der Hamas auf Israel ist die Lage in jüdischen Gemeinden in Deutschland äußerst angespannt. Ein neues Lagebild spricht von einem “anhaltenden Ausnahmezustand”.
Fast die Hälfte der jüdischen Gemeinden in Deutschland ist einer Umfrage zufolge im laufenden Jahr von antisemitisch motivierten Vorfällen betroffen gewesen. Führungskräfte von 42 Prozent der Gemeinden hätten dies angegeben und Drohanrufe, Schmierereien und persönliche Beleidigungen den Sicherheitsbehörden gemeldet, heißt es in einem Lagebild des Zentralrats der Juden in Deutschland, das am Montag in Berlin vorgestellt wurde. Am selben Tag jährte sich der Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 zum ersten Mal.
Die Situation im Kontext mit dem Krieg in der Region wirkt sich demnach auf 63 Prozent der Gemeinden in Deutschland negativ aus. Das äußere sich in einer Angst vor Angriffen, weniger Besuchern und einem spürbaren Anstieg von Antisemitismus, hieß es. Es handele sich um einen “anhaltenden Ausnahmezustand”.
Das Lagebild ergab zudem einen deutlichen Rückgang an Solidarität seitens der Mehrheitsgesellschaft: 39 Prozent hätten die Frage, ob Gemeinden Solidarität und Unterstützung von der Gesellschaft erfahren, mit “Ja” beantwortet. In den Wochen nach dem 7. Oktober 2023 hatten sich in einem ersten Lagebild noch 62 Prozent der Gemeinden zustimmend geäußert.
Insgesamt litten viele Jüdinnen und Juden unter einem anhaltenden Unsicherheitsgefühl, so das Lagebild. Zugleich äußerte sich eine Mehrheit der Befragten zufrieden mit der Zusammenarbeit mit Polizei, Sicherheitsbehörden und den jeweiligen Kommunen. Diese gehörten auch zu den wichtigsten Unterstützern der Gemeinden, gemeinsam etwa mit Kirchengemeinden und Teilen der Zivilgesellschaft.
Als Herausforderungen wurden der Ausbau und die Finanzierung der Sicherheit, mehr Einsatz auf politischer Ebene gegen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit sowie eine Sensibilisierung der Mehrheitsgesellschaft für die Lage von Jüdinnen und Juden genannt. Den Angaben zufolge nahmen an der Online-Umfrage von Mitte August bis Mitte September Führungspersönlichkeiten von 98 der 105 im Zentralrat organisierten Gemeinden teil.
Zentralratspräsident Josef Schuster nannte es laut vorab verbreitetem Manuskript den “bittersten Befund”, dass Empathie und Solidarität stark abgenommen hätten. Es dürfe auch nicht zugelassen werden, dass jüdisches Leben aus Sorge und Angst weniger sichtbar sei hierzulande. Der aktuelle “Ausnahmezustand” dürfe niemals Normalität werden.