Wo Kanonen standen und Soldaten exerzierten, ziehen nun Künstler, große Veranstaltungsräume und Gastronomie ein. Ein Abschnitt der Ulmer Wilhelmsburg, die zur früheren Bundesfestung gehörte, ist im Rahmen des bundesweiten Förderprogramms „Nationale Projekte des Städtebaus“ zu einem Kultur- und Begegnungszentrum umgebaut worden. Durch diese Umwandlung von 30.000 Quadratmetern militärischer Fläche zur zivilen Nutzung sei ein „Raum der Kreativität“ entstanden, sagte der Ulmer Oberbürgermeister Martin Ansbacher (SPD) am Freitagabend zum Abschluss des Förderprogramms auf der Wilhelmsburg.
In den letzten Jahren sind Ansbacher zufolge rund acht Millionen Euro, davon 4,8 Millionen aus Bundesmitteln, in die Umbaumaßnahmen geflossen. Durch die Umwidmung der als geschlossenes Rechteck erbauten Festung, die ursprünglich Platz für fast 7.000 Soldaten geboten hatte, sei ein offener Begegnungs- und Kulturort für Menschen jeden Alters entstanden. Die Geschichte sei dabei in einer Form aufbewahrt worden, die auch in die Zukunft weise, sagte der Oberbürgermeister bei einer Veranstaltung in der Wilhelmsburg, die neben dem Abschluss des Bauprojekts zugleich die Eröffnung des traditionellen Kulturprogramms „Stürmt die Burg“ auf der Festung war.
Wie der zuständige Architekt Stefan Rapp bei einem Rundgang erläuterte, sind die Bausubstanz und die räumliche Anordnung der Festung weitgehend gewahrt worden. Der ursprüngliche Steinboden ist durch Glasplatten zu sehen, die Gewölbe und der Verputz blieben erhalten. Frühere Kasematten wurden zu kleinen Appartements, in denen Künstlerinnen und Künstler wohnen können. Für größere Events dient ein 100 Quadratmeter großer Veranstaltungsraum. Neu hinzugekommen sind beispielsweise moderne Toilettenanlagen und ein Aufzug.
Die Wilhelmsburg auf dem Ulmer Michelsberg, die Mitte des 19. Jahrhunderts erbaut wurde, hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich: In der NS-Zeit waren in den dicken Gemäuern Zwangsarbeiter unter misslichen Bedingungen untergebracht. Nach dem Krieg wurde daraus eine Notunterkunft für bis zu 3.000 geflüchtete Menschen sowie Ulmer Bürgerinnen und Bürger, die ihre Wohnung verloren hatten. Ab 1956 beherbergte die große Festungsanlage eine Kaserne der Bundeswehr, die jedoch wegen zunehmender Feuchtigkeit im Gemäuer in den 70er-Jahren aufgegeben wurde.
Entstanden war die Wilhelmsburg als zentraler Bestandteil der Ulmer Bundesfestung. Dieses Festungssystem, das sich über die Städte Ulm und das bayerische Neu-Ulm erstreckte, galt im 19. Jahrhundert als die größte und modernste Festung in Europa. Sie hatte die Funktion, ganz Süddeutschland zu sichern. Es kam jedoch zu keinem militärischen Einsatz, aus der Bundesfestung wurde niemals ein Schuss abgefeuert. Durch die fortschreitende Militärtechnik mit immer stärkeren Geschützen wurde die Bundesfestung obsolet. (1848/26.07.2025)