An diesem Sonntag lädt Pfarrer Viktor Weber zu einem Gottesdienst für Mensch und Tier. Weil Tiere eine Würde haben, die allzu oft verletzt wird.
Viktor Weber
Hinter der Speckscheibe steckt ein Lebewesen. Verletzen wir die Würde der Tiere zu oft?Markus Hendrich/PD
Seit Juni hat die Bundesregierung eine Beauftragte für Tierschutz. Die Veterinärmedizinerin Ariane Kari möchte das Bewusstsein für die oft qualvollen Bedingungen, unter denen Nutztiere wie Schweine, Rinder oder Hühner leben, schärfen. Das sagte sie kürzlich in einem Interview in der Wochenzeitung „Die Zeit“. Auch ein Tierschutzlabel wird derzeit diskutiert. Auf Lebensmitteln soll es darüber informieren, wie die Tiere gehalten wurden. Für den Tierschutz setzt sich auch Pfarrer Viktor Weber ein.
Wintersemester 2010/2011, Hauptseminar Systematische Theologie, Thema: Menschenwürde. Ein Text von Peter Singer – ein australischer Philosoph und Ethiker und ein nicht ganz unproblematischer Denker. Er schlägt vor, den Begriff Menschenwürde zu erweitern und stattdessen eine „Personenwürde“ als Grundlage ethischer Entscheidungen zu wählen. Dadurch würde der Kreis anspruchsberechtigter Wesen auf Tiere ausgeweitet. Ich kaufe mir seine „Praktische Ethik“ und verschlinge sie in den Semesterferien. Danach räume ich meinen Kühlschrank aus und werde Vegetarier. Eine echte Bekehrung.
Kümmert sich Gott um die Tiere?
Peter Singer räumt Tieren eine eigene Würde ein, unabhängig von deren Nutzen für die Menschen. Er präsentiert in seinem Werk neben seiner Ethik viele Informationen über die Biologie und Psyche verschiedener Tiere. Und was damals wohl noch eindrücklicher für mich ist: Er informiert über die unwürdige Art und Weise, wie der Mensch mit dem Tier umgeht.
Schreibtisch. Vorbereitung auf die Predigt zu Jona 4. Gott spricht: „Sollte Ninive mir nicht leidtun – eine große Stadt mit mehr als 120000 Menschen? […] Dazu kommen noch die vielen Tiere. Sollte es mir da nicht leidtun?“ Moment. Die vielen Tiere? Kümmert sich Gott um die Tiere? Sie tun ihm leid? Sie scheinen ihm sehr wichtig zu sein. Er bezieht Tiere sogar in das Ruhegebot des Sabbats ein (Exodus 20,8-10).
Tiere sind Teil der sehr guten Schöpfung Gottes (Genesis 1,31). Aus biblischer Perspektive hat die gesamte Schöpfung eine Würde, die ihr nicht vom Menschen zukommt, sondern aus sich selbst heraus, nämlich weil Gott ihr Würde zuspricht. In den Tieren ist lebendiger Odem – Atem Gottes. Viele Tiere sind am gleichen Tag geschaffen wie der Mensch. Sie haben so viele Gemeinsamkeiten, dass der Mensch selbst biologisch als Tier klassifiziert wird. Weil der Mensch mit seiner Art und Weise zu leben die Würde der Schöpfung missachtet, muss er im Klimawandel die Folgen seiner Taten selbst tragen.
Konkret stellt sich die Frage, welche ethischen Folgen aus der Annahme einer dem Tier eigenen Würde abzuleiten sind und wie Wege gefunden werden können, die Würde von Tieren angemessen zu achten. Für mich besteht kein Zweifel, dass die Menschen sich durch unwürdigen Umgang mit dem Tier schuldig machen: Massentierhaltung, Tierversuche, brutale Spiele mit Tieren um der Unterhaltung willen. Jeder Mensch mit einem einigermaßen intakten Gewissen würde es ablehnen, ein Tier zu quälen. Warum aber geht die Menschheit mit den Tieren größtenteils so um, als wären sie Gegenstände?
Woher kommt das Steak?
Es scheint zum einen zu wenig Bewusstsein darüber zu geben, wie komplex und beeindruckend die Physiologie und Psychologie der Tiere ist. Hierzu ist mehr Aufklärung notwendig. Zum anderen sind viele Menschen zu schlecht darüber informiert, wo das Steak auf ihrem Teller herkommt und welchen Weg das bewusste Leben bis dahin genommen hat. Peter Singer würde über viele Tiere sagen: welchen Weg das selbstbewusste Leben genommen hat.
Das geplante Tierwohl-Label zur Kennzeichnung der Lebensmittel je nach Art der Haltung der Tiere ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, wenn auch nur ein kleiner. Mehr Tierwohl wird Geld kosten. Noch mehr wird es aber kosten, wenn wir unseren Umgang mit den Tieren nicht radikal verändern. Ich möchte Mut dazu machen, zum früher üblichen „Sonntagsbraten“ zurückzukehren und den Fleischkonsum ansonsten drastisch zu reduzieren. Weniger Fleisch auf dem Teller heißt: weniger Tierleid, bessere Achtung der Würde des Tiers.
Machen wir’s wie die Niniviten, ändern wir unser Leben. Dann habe ich gute Hoffnung, dass Gott bereuen wird, uns vernichten zu wollen (Jona 3,10).
Gottesdienst für Mensch und Tier am Sonntag, 2. Juli, 11.15 Uhr auf der Wiese vor der Kirche Heerstraße Nord, an der Obstallee 22 E, 13593 Berlin. Mit Pfarrer Viktor Weber. Mitgebracht werden vor allem Hunde, Schildkröten, Schnecken und auch Kuscheltiere. Es geht um einen besonderen Segen für tierische Begleiter und eine Zeit der Besinnung auf die Verantwortung des Menschen gegenüber der Natur.