Über Grenzen gehen

Die jungen Schauspieler der Theatergruppe ÜberGrenzen wollten eigentlich schon im März ihr Stück „Babylon“ aufführen. Jetzt kam es im Juli auf die große Bühne – mit Erfolg!

Theaterprojekt ÜberGrenzen: Theater bewusst mit sozialer Arbeit verbinden.
Theaterprojekt ÜberGrenzen: Theater bewusst mit sozialer Arbeit verbinden.epd/Anja Goritzka

Stralsund. „Eigentlich wollten wir im März schon auftreten. Doch dann fiel alles ins Wasser. Wir mussten die Veranstaltung auf Juli verschieben“, erzählt Anja Marz vom Theaterprojekt „ÜberGrenzen“ in der Stralsunder Kulturkirche St. Jacobi. Seit vier Jahren spielen Geflüchtete, Migranten, dort zusammen Theater, anfangs vor allem syrische junge Männer, jetzt mehr Frauen und junge Mädchen. So wie Rolyan. Die 15-jährige lebt mit ihrer Mutter Iman seit vier Jahren in Deutschland und steht jetzt das erste Mal auf der Bühne.

Im Stück Babylon spielt sie mit ihr zusammen eine „zwielichtige Gestalt“ und alleine den „gefallenen“ Engel. „Dieser sollte eigentlich von einem anderen Mädchen gespielt werden. Aber die Eltern gehören zu einer Hochrisikogruppe, so dass sie und ihr Bruder jetzt ausfallen“, erzählt Leiterin Anja Marz. Auch Paul Öllermann vom Kreisdiakonischen Werk Stralsund springt deshalb ein und spielt „einen jungen Mann“.

Projekt stärkt das Selbstbewusstsein

„Wir wollten diesmal nicht so auf das Thema Geflüchtete eingehen. Das hatten wir natürlich 2016 sehr intensiv am Anfang mit dem Theaterstück um die „Zehn Gebote“. Diesmal suchten wir nach einem anderen biblischen Thema“, meint die Regisseurin Anja Marz. Im aktuellen Stück „Babylon“ wird die Geschichte des Turmbaus zu Babel erzählt und eine tragische Liebesgeschichte zwischen eben den „jungen Mann“ und einem jungen Mädchen namens „Maria“. Es geht um die Frage, was Liebe eigentlich ist.

Die Generalprobe am Freitag vor der Premiere am 25. Juli war ganz schön aufregend. Hanin, die eigentlich Maria spielt, konnte nicht da sein. „Sie hat einen Ferienjob am Hafen und muss heute arbeiten“, erzählt Anja Marz, aber bei der Vorstellung am Sonnabend war sie dann mit dabei. Sylvia Doeppner sprang ein. Auch sie unterstützt als Ehrenamtliche schon lange das Theaterprojekt.

Stadt Stralsund unterstützt Projekt

Genauso wie Anja Marz: „So ein Projekt war schon vor der Flüchtlingswelle 2015 angedacht.“ Damals im Begegnungszentrum Grünhufe, in dem sie selber in einem Projekt des Kreisdiakonischen Werkes Stralsund für Migranten arbeitete. Seit 2017 wurde „ÜberGrenzen“ unter anderem aus dem Integrationsfonds des Landesamtes für Gesundheit in Mecklenburg Vorpommern finanziert, für drei Jahre. „Jetzt sind wir schon im vierten Jahr. Die Stadt Stralsund unterstützt uns auch sehr“, berichtet die Theaterprojektleiterin.

Drei Stücke hat sie mit wechselnder Mannschaft schon auf die Bühne gebracht, eigentlich im Gustav-Adolf-Saal der Kulturkirche. „Der ist aber jetzt auf Grund der Hygienemaßnahmen zu klein“, räumt sie ein. Deshalb wurde in der Kirche selber aufgeführt, im Altarbereich umringt von der aktuell laufenden Ausstellung und mit Abstand zwischen den Schauspielern. „Ungewohnt“, nennt Iman das. Dennoch sind sich alle einig, dass das Schauspielern Spaß mache. „Wir haben neue Leute kennengelernt“, meint der 19-jährige Daniel aus Iretrea und Rolyan ergänzt: „Ich hatte immer Angst vor Leuten zu sprechen. Jetzt ist es anders.“

Das sei auch gerade der Sinn des Projektes, so Anja Marz: „Wir verbinden Theater bewusst mit sozialer Arbeit, sind Ansprechpartner für Probleme und schaffen schöne gemeinsame Momente.“ Auch die schüchtern wirkende Fatima aus Afghanistan blüht beim Theaterstück auf. Sie kam durch eine Freundin zur Gruppe, die sich anfangs aus Besuchern des Nachbarschaftszentrums Grünhufe zusammensetzte. Mittlerweile hätte sich das Projekt aber rumgesprochen. „Es ist egal, wo sie herkommen. Nur mit der Unpünktlichkeit habe ich immer noch so meine Probleme“, lächelt Projektleiterin Anja Marz.