Twitter-Gewitter zur Predigt

Predigen heißt nicht, spitzfindig Redekünste darzubieten. Zum Predigttext am 2. Sonntag nach Epiphanias Von Sibylle Sterzik

Predigttext am 2. Sonntag nach Epiphanias: 1. Korinther 2,1–101 Auch ich, meine Brüder und Schwestern, als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu predigen. 2 Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, ihn, den Gekreuzigten. 3 Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern; 4 und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten der Weisheit, sondern im Erweis des Geistes und der Kraft, 5 auf dass euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft. 6 Von Weisheit reden wir aber unter den Vollkommenen; doch nicht von einer Weisheit dieser Welt, auch nicht der Herrscher dieser Welt, die vergehen. 7 Sondern wir reden von der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist, die Gott vorherbestimmt hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit, 8 die keiner von den Herrschern dieser Welt erkannt hat; denn wenn sie die erkannt hätten, hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt. 9 Sondern wir reden, wie geschrieben steht (Jesaja 64,3): „Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.“ 10 Uns aber hat es Gott offenbart durch den Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen Gottes.

Von Sibylle SterzikDer Apostel Paulus bietet ein Leerstück zum Predigen. Ich selbst bin nur ein Mensch, sagt er, gebrechlich. Geschickt könnte ich mit spitzfindiger philosophischer Redekunst versuchen, die Menschen zu beeindrucken, zu gewinnen und zu überreden – so etwa könnte man umschreiben, was er auszudrücken versucht. Aber bei all dem wären sie beeindruckt von meiner Klugheit, meiner Rhetorik. So aber soll nicht die Rede vom Evangelium sein.

Paulus verlässt sich dagegen in all seiner Unvollkommenheit allein auf Gott, das Evangelium von Jesus Christus, dem Gekreuzigten, zu verkündigen. Nicht auf menschliche Weisheit setzt er, sondern auf den Geist und die Kraft Gottes, die sich erweisen werden. Von Herrschern, die Gottes Weisheit nicht erkannt haben, redet Paulus auch. Sein Kriterium dafür: Sie hätten Christus sonst nicht gekreuzigt. Auch heute wird Jesus wieder ans Kreuz genagelt, wo jemand Gottes Geschöpfe missachtet. Aus Liebe zu ihnen schickte er Jesus in die Welt, gab dieser sein Leben am Kreuz. Wo das heute wieder passiert, mischen sich Christinnen und Christen zu Recht ein. Auch und gerade in der Predigt. Und mit Händen und Füßen im Alltag, in Gemeinden und Bürgerinitiativen. Wo das geschieht, einer für den anderen Bruder und Schwester des einen Vaters ist, wächst Gottes Reich hier auf Erden. Da leuchtet die Weisheit Gottes wie der Stern über der Krippe. Um ein Lehrstück zur Predigt ging es auch in einem Tweet dieser Tage, einer Mitteilung auf dem Online-Dienst „Twitter“ und den Antworten darauf. Am Heiligen Abend verbreitete der „Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt in seiner Kurznachricht, die Berliner Christmette, die er besucht hatte, sei zu linksgrün gewesen.

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