TÜV mahnt zur Vorsicht bei Gesundheits-Apps
Gesundheits-Apps können den Alltag kranker Menschen erleichtern und Gesunden zu mehr Fitness verhelfen. Doch der TÜV mahnt zum kritischen Umgang mit den digitalen Helfern.
Fitnesstracker, Ernährungs- und Bewegungs-Apps. Elektronische Helfer, die Blutzucker und Blutdruck messen, die den Impfstatus überwachen oder daran erinnern, Medikamente einzunehmen: Die Deutschen nutzen immer mehr Gesundheits-Apps. Und immer mehr dieser elektronischen Helfer kommen auf den Markt.
Doch der TÜV mahnt zur Vorsicht: Nutzer sollten Daten und Handlungsempfehlungen der Apps immer kritisch hinterfragen. Bei vielen von ihnen handele es sich nicht um streng geprüfte Medizinprodukte, sondern eher um Lifestyle-Angebote. Im Juni hatten auch die Verbraucherzentralen einen kritischen Blick der Verbraucher angemahnt: „Die meisten Apps in diesem schnelllebigen Markt sind nicht wissenschaftlich auf ihren Nutzen hin untersucht. So kann es hilfreiche Apps geben, aber auch solche, deren Nutzen nicht belegt ist und die schlimmstenfalls sogar Schaden anrichten können, etwa durch falsche Messungen und Diagnosen.“
284.000 Gesundheits-Apps auf dem Markt
Laut Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gibt es aktuell rund 284.000 Gesundheits-Apps, die zum Download in den App-Stores zur Verfügung stehen. „Während die Auswahl an Gesundheits-Apps immer größer wird, nimmt die Übersichtlichkeit für die Verbraucherinnen und Verbraucher ab. Bei der Nutzung sollten die Angaben der Apps immer kritisch und reflektiert betrachtet werden“, sagt Mark Küller, Referent für Medizinprodukte beim TÜV-Verband.
Seit Oktober 2020 können Ärzte bestimmte Apps auch auf Rezept verschreiben. Deutschland ist weltweit das erste Land, in dem die Kosten dafür von den Gesetzlichen Krankenversicherungen übernommen werden. Das gilt allerdings nur für solche digitalen Helfer, die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte geprüft und in das Verzeichnis der Digitalen Gesundheitsanwendungen aufgenommen wurden. Nach einer im März veröffentlichten Studie nutzt inzwischen gut jeder dritte Deutsche (37 Prozent) solche Gesundheits-Apps.
Schrittzähler, Kalorienzähler und Entspannungsprogramme
Die wohl bekanntesten Apps im Gesundheitsbereich sind Lifestyle-Apps. Sie werden häufig von IT-Firmen, Sportmarken oder Fitnessstudios entwickelt und bieten Funktionen wie Schrittzähler, Kalorienzähler, Trainingspläne oder Entspannungsprogramme. Viele sind bereits auf Smartphones vorinstalliert.
„Lifestyle-Apps können viele Vorteile bieten und einen gesunden Lebensstil unterstützen. Allerdings nur, wenn die Nutzerinnen und Nutzer die Angaben kritisch hinterfragen und die App nicht als Ersatz für professionelle medizinische Diagnose, Beratung oder Behandlung sehen“, sagt Küller. „Der Ehrgeiz, die vorgeschriebenen Ziele einzuhalten, sollte nicht über den eigenen gesundheitlichen Bedürfnissen stehen.“
Keine unabhängige Prüfung
Der TÜV verweist darauf, dass Lifestyle-Apps in der Regel keiner unabhängigen Prüfung unterzogen werden und nicht den strengen Anforderungen der europäischen Medizinproduktegesetzgebung unterliegen. Umso wichtiger sei es, dass Verbraucherinnen und Verbraucher ihnen nicht blind vertrauen – zumal manche der Apps sensible persönliche Daten sammelten und zum Teil an Dritte weitergäben. Auf keinen Fall sollten die von diesen Apps ermittelten Werte als Diagnose betrachtet werden und der Eigendiagnose dienen.
Immer mehr Krankenkassen bieten auch Service-orientierte Apps an, die die Onlinekommunikation mit der Krankenkasse erleichtern, bei der Suche nach einem Arzt helfen oder mit deren Hilfe Gesundheitsdaten verwaltet werden können. Die erinnern etwa daran, Medikamente einzunehmen, überwachen den Impfstatus und mahnen zu Früherkennungsuntersuchungen. In diesem Bereich raten die Experten Nutzern, sie sollten sich zuerst bei ihrer eigenen Krankenkasse informieren.
Kein Ersatz für den Arzt
Auch bei medizinischen Apps, die als Medizinprodukte besonders hohe Auflagen erfüllen müssen, betont der TÜV: Sie bieten Unterstützung bei Diagnose und Therapie, sind aber kein Ersatz für den Arzt. Einzelne Apps könnten und dürften autonom Hintergrundinformationen oder allgemeine Handlungsempfehlungen geben, solange sie sich auf niederschwellige Informationen beschränkten. Die Diagnose und konkrete Therapieempfehlung, etwa die Einnahme bestimmter Medikamente, unterliege aber dem Arztvorbehalt.
Der TÜV warnt zugleich vor einer Grauzone bei Gesundheits-Apps: „Viele Apps, die als Lifestyle-Apps vermarktet werden, sind aufgrund ihrer Beschaffenheit und ihres Leistungsversprechens eigentlich Medizinprodukte.“ Nur ein Teil von ihnen sei aber als Medizinprodukt zugelassen. „Dadurch sind unter Umständen Risiken mit ihrer Nutzung verbunden.“
Hier die Tipps zusammengefasst:
- Betrachten Sie die Angaben von (nicht ärztlich verordneten) Gesundheits-Apps immer kritisch. Verlassen Sie sich nicht blind darauf, sondern prüfen Sie, ob die Informationen plausibel sind.
- Apps dürfen nicht als Ersatz für professionelle medizinische Diagnose gesehen werden.
- Wurde die App bereits von anderen Nutzerinnen und Nutzern bewertet?
- Achten Sie auf Datenschutz: Bevor Sie eine Gesundheits-App herunterladen, werfen Sie einen Blick auf die Datenschutzinformationen im App-Store. TÜV-Prüfsiegel weisen auf Datensicherheit hin.
- Informieren Sie sich über den Anbieter: Vertrauenswürdige Anbieter werden transparente Informationen über ihre App und ihre Hintergrundexpertise bereitstellen.
- Prüfen Sie, ob eine Gesundheits-App ein Medizinprodukt ist, zum Beispiel dadurch, dass der Hersteller entsprechende Angaben in der Produktbeschreibung oder der Gebrauchsanweisung macht. Eine weitere Quelle kann das Verzeichnis Digitaler Gesundheitsanwendungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte sein, in dem Gesundheitsanwendungen gelistet sind, die im deutschen Gesundheitssystem durch Ärzte verordnet werden können.
- Prüfen Sie, wie die App finanziert wird. Wird Werbung eingeblendet, werden Sponsoren genannt? Gerade kostenlose Apps finanzieren sich häufig über Datenhandel und Werbung.