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Trauer in Aschaffenburg wird von Schuldzuweisungen überlagert

Während Bundes- und Landespolitiker mit gegenseitigen Schuldzuweisungen auf die tödliche Messerattacke von Aschaffenburg reagieren, versuchen die Menschen in der unterfränkischen Stadt ihrer Trauer und ihrem Entsetzen Raum zu geben. Am Donnerstagabend kamen am Tatort im Schöntal-Park ungefähr 3.000 Menschen zu einem stillen Gedenken zusammen. An diesem Sonntag (26. Januar) findet in der katholischen Stiftskirche ab 10.30 Uhr nur wenige Hundert Meter vom Tatort entfernt ein ökumenischer Gedenkgottesdienst statt. Zu diesem wollen auch hochrangige Landes- und Bundespolitiker kommen.

Die Menschen in der unterfränkischen 70.000-Einwohner-Stadt trauern, sie sind entsetzt und auch wütend. Und sie suchen in dieser Ausnahmesituation die Gemeinschaft. Spontan widmete am Donnerstagabend die Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen (ACK) in Aschaffenburg ihren Gottesdienst um, der ursprünglich zur Gebetswoche für die Einheit der Christen geplant war. Der evangelische Aschaffenburger Dekan Rudi Rupp sagte dort, ein Gottesdienst könne die schreckliche Tat mit zwei Toten und mehreren Verletzten nicht ungeschehen machen. Er könne aber Mut machen, „miteinander füreinander“ zu beten und mit anderen zu weinen.

Schon wenige Stunden nach der Tat am Mittwochmittag waren erste Mitarbeitende des Kriseninterventions-Teams der Malteser vor Ort, ihnen folgten am Donnerstag die Notfallseelsorger der evangelischen und katholischen Kirche. Sie stehen direkt am Tatort im Schöntal-Park und auch in kirchlichen Einrichtungen für spontane Gespräche zur Verfügung. Zudem hätten Mitarbeitende der Notfallseelsorge und des Klinikteams die Opfer und Zeugen der Messerattacke begleitet – beispielsweise in der Kindertagesstätte, deren Gruppe im Park wie aus dem Nichts von dem 28-jährigen Tatverdächtigen aus Afghanistan angegriffen worden war.

Inzwischen laufen auch die Planungen für den Gedenkgottesdienst am Sonntag in der Stiftskirche St. Peter und Alexander. Geleitet wird er gemeinsam vom evangelischen Landesbischof Christian Kopp und seinem katholischen Würzburger Bischofskollegen Franz Jung. Um möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern die Teilnahme zu ermöglichen, wird der Gottesdienst auf eine Großbildleinwand ins Freie vor der Stiftskirche übertragen. Zudem wird die Gedenkfeier über den YouTube-Kanal der Stadt Aschaffenburg gestreamt. Um die Stiftskirche herum gilt eine Bannmeile – angemeldete politische Demos sollen die Trauer nicht stören.

Nach der Bluttat waren in kürzester Zeit gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen Bund und Bayern aufgeflammt. Angesichts dessen wirkten die Worte von Aschaffenburgs Oberbürgermeister Jürgen Herzing (SPD) bei der Kranzniederlegung am Tatort vom Donnerstagmorgen fast schon flehentlich: „Wir können und dürfen die Tat eines Einzelnen niemals einer ganzen Bevölkerungsgruppe anrechnen“, sagte er. „Die furchtbare Tat eines Einzeltäters darf keine Spirale der Gewalt und des Hasses in Gang setzen“, fuhr Herzing fort und mahnte zur Besonnenheit.

Nach den lautstarken Forderungen aus der Bundes- und Landespolitik wirkt die Wortmeldung des SPD-Bundestagsfraktionschefs Rolf Mützenich vom Freitag fast überraschend. „Punktekataloge, vermeintlich starke Worte, schnelle Forderungen werden weder dem Leid der Opfer noch den trauernden Eltern, Angehörigen und Freunden gerecht“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“. Nach dem Attentat müsse es zweifellos „eine schonungslose rechtliche, praktische und politische Aufarbeitung“ geben, betonte er. „Gleichwohl ist es angemessen, wenigstens einen Moment innezuhalten“, mahnte Mützenich.

Am Mittwoch waren bei einer Messerattacke in Aschaffenburg ein zwei Jahre altes marokkanisches Kita-Kind und ein 41-jähriger deutscher Mann mit einem Küchenmesser getötet worden. Tatverdächtig ist ein offenbar psychisch kranker 28-jähriger Afghane, der ausreisepflichtig war. Er wurde in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht. Drei weitere Menschen wurden teilweise schwer verletzt: ein zweijähriges syrisches Mädchen aus der Kita-Gruppe, eine 59-jährige deutsche Kita-Erzieherin sowie ein 72-jähriger deutscher Passant. (00/0264/25.01.2025)