Trauer, die unter die Haut geht

Um einen geliebten Menschen kann man auf unterschiedliche Arten trauern. Eine Ausstellung in Schleswig zeigt eine besondere: mit Tattoos.

Franziska trägt den Namen ihres Bruders „Jacob“ auf ihrem Rücken. Das „halbe“ Flügelmotiv soll andeuten, das sie sich unvollständig fühlt
Franziska trägt den Namen ihres Bruders „Jacob“ auf ihrem Rücken. Das „halbe“ Flügelmotiv soll andeuten, das sie sich unvollständig fühltOeft-Geffrath

Schleswig. Der Tod kommt unerwartet und meist wohl auch zur falschen Zeit. In mittelalterlichen Texten wird er als „hinterhältig“ bezeichnet. Erbarmungslos holt er jeden, ohne jegliches weiteres Ansehen der Person. Jeder Mensch muss sterben – dann, wenn der Tod es will. Der Verlust eines Kindes, das doch vom Leben noch so wenig erfahren hat, erscheint uns dabei besonders tragisch und unnötig.

Jeder Mensch hat eine andere Art, mit Trauer umzugehen. Ein Trauertattoo ist einer dieser Wege. Der Verein „Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister Schleswig-Holstein“ zeigt in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum Schleswig und dem Ambulanten Hospizdienst Schleswig vom 8. September bis zum 5. Oktober im Stadtmuseum Schleswig die Wanderausstellung „Trauertattoo. Unsere Haut als Gefühlslandschaft“.

Eine Verbindung zu ihrer Mama

„Ich wollte etwas, was ich immer bei mir trage“, begründet Gela ihre Entscheidung für ein Tattoo nach dem plötzlichen Tod ihres Sohnes. Ähnlich die 23-jährige Jennifer: „Es ist die optische, nach außen getragene Verbindung zu meiner Mama.“ Dabei sind die Tattoos, die sich Trauernde stechen lassen größtmöglich verschieden: ein Name, den man nicht vergessen will, oder das Datum, das von nun an immer mit einer ganz besonderen Bedeutung belegt ist.

Die Ausstellung macht Station in Schleswig
Die Ausstellung macht Station in SchleswigOeft-Geffrath

Ein Bild von dem Verstorbenen, eine Collage, die auch die Lebenden mit einbindet – denn der Verstorbene bleibt unvergessener Teil der Gemeinschaft. Vielleicht ein Text, der dem Verstorbenen wichtig war oder dem Trauernden einen Weg aufzeigt, oder Symbole wie Engelsflügel, Sterne oder Sternenbrücken. In jedem Fall etwas, was auf der Haut bleibt und gegen das Vergessen steht.

Als die Trauerbegleiterin Katrin Hartig einen deutschlandweiten Aufruf startete „mit der Bitte, mir Fotos der Tattoos nach einem Verlust zu schicken, wurde ich überrascht. Mehr als 150 Menschen schrieben mir. Die Hälfte waren Menschen, die bis zum Todesfall nie auf die Idee gekommen wären, sich ein Tattoo zu stechen. Mehr noch, viele lehnten es bisher ab.“


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Hartig interviewte die Trauernden, und die Fotografin Stefanie Oeft-Geffarth machte Bilder. Das Ergebnis ist die nun in Schleswig zu sehende Wanderausstellung, die Hartig und Oeft-Gefferath ehrenamtlich umsetzen. Manches, was bisher gesellschaftlich totgeschwiegen wurde, kam ans Licht. Manches wurde in ein neues Licht gerückt.

Ein Tattoo ist ein Statement für immer, denn Trauer geht nicht vorbei. Der Tod hat ein Loch ins Leben gerissen, das bleibt. Aber Trauer verändert sich. Sie sucht nach Ausdruck, nach Bildern und drängt nach außen. Sie will gesehen werden. Das Tattoo kann Liebeserklärung und Brücke zum Verstorbenen sein.

Tanja weiß: „Am Ende musste ich dich gehen lassen.“
Tanja weiß: „Am Ende musste ich dich gehen lassen.“Oeft-Geffrath

Die „Verwaisten Eltern“ haben die Ausstellung im vergangenen Jahr bereits in Flensburg gezeigt. Mit großem Erfolg. In Schleswig zeigt der Verein zusätzlich zur Wanderausstellung eigene regionale Beispiele. So etwa die Tattoos des Handballers Emil Manfeldt Jakobsen von der SG Flensburg-Handewitt. Die Botschaft ist klar: Der Tod nimmt keine Rücksicht, egal, wie berühmt und angesehen du auch sein magst.

Info
Die Ausstellung ist vom 8. September bis 5. Oktober im Stadtmuseum Schleswig zu sehen.