Tourismusforscherin: Der Gast ist nicht König
Servicekräfte in der Tourismusbranche sind oft unterbezahlt und müssen mit widrigen Arbeitsbedingungen klar kommen. Das Mindeste, was man als Gast tun kann, ist ihnen auf Augenhöhe zu begegnen.
„Das ist ja ’nur‘ ein Zimmermädchen, die steht jetzt im Status unter mir“ – solche Einstellungen lehnt die Tourismusforscherin Anke Winchenbach ab. „Der gemeinsame Nenner ist das Menschliche und der gegenseitige Respekt – ohne Reinigungspersonal gäbe es schlichtweg keinen guten Hotelservice“, sagte sie Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Mitarbeitende der Hotel- und Gastronomiebranche verdienten mehr Wertschätzung. „Unabhängig von der Situation ist ein menschlicher Umgang erforderlich – den Mitmenschen auf Augenhöhe begegnen.“
Forschung zu Achtsamkeit in der Hotelbranche
Die Wissenschaftlerin, die an der Universität Surrey zum Thema Achtsamkeit in der Hotel- und Gastronomiebranche forscht, forderte grundsätzlich bessere Bedingungen im Gastgewerbe. Dazu gehöre auch, sich die Wichtigkeit der verschiedenen Berufe und Funktionen bewusst zu machen.
„Oft ist die Bezahlung unzureichend und unter dem Mindestlohn, die Arbeitszeiten sind unattraktiv, es gibt häufig keine klaren Verträge und keinen Urlaubsanspruch, und die Mitarbeitenden haben ein limitiertes Mitspracherecht“, kritisierte Winchenbach. „Hinzu kommt mangelnder Respekt von Gästen – und auch Vorgesetzten – bis hin zu verbalem, psychischem, körperlichem und auch sexuellem Missbrauch oder Mobbing.“
Besonders weibliches Servicepersonal betroffen
Dokumentiert werde das selten – „weil die Mitarbeiter um ihren Arbeitsplatz bangen oder die Erfahrung gemacht haben, dass sowieso nicht gehandelt wird“, so die Expertin weiter. Leider sei die Einstellung verbreitet: „Sexueller Übergriff und anzügliche Witze, das gehört einfach zum Job dazu, das darf man nicht an die große Glocke hängen. Das ist natürlich ein völlig falscher Ansatz.“ Besonders weibliches Servicepersonal werde mitunter „als Konsumgut, als Teil des Urlaubspakets gesehen“.
Winchenbach empfiehlt im Umgang mit Mitarbeitenden in der Gastronomie und der Hotelbranche grundsätzlich einen Kontakt auf Augenhöhe. Dazu gehören etwa folgende Verhaltensweisen – wobei man auch immer den kulturellen Kontext beachten sollte: Danke und Bitte sagen nicht vergessen, auch einen freundlichen Gruß hört jeder gern. Höfliche Umgangsformen sollten wie sonst auch im Leben selbstverständlich sein.
Augenkontakt mit dem Servicepersonal pflegen: „Man sollte die Person anschauen, die einem das Essen serviert und sich bedanken – und nicht wortlos auf sein Handy starren. Auch ein Lächeln kann manchmal nicht schaden“, betont Winchenbach.
Tipps: Kein Kupfergeld geben
Angemessenes Trinkgeld geben: Am besten erkundigt man sich bei Einheimischen, was üblich ist. Grundsätzlich gilt hier, etwa bei der Bezahlung der Zimmerreinigung: „Bitte kein Kupfergeld geben, also nicht die letzten Cents im Portemonnaie zusammenkratzen“, sagt Winchenbach.
In manchen Hotelzimmern liegen kleine Zettel, auf denen etwa steht: „Hello, I’m your cleaner Maria“ – ich bin Maria, Ihre Reinigungskraft. „Es ist schön, wenn man sich dann auch kurz schriftlich bedankt“, sagt die Expertin. Am besten in der Landessprache – zum Beispiel Google Translator hilft dabei.
Das Hotelmanagement ansprechen, wenn einem Missstände im Umgang mit den Mitarbeitenden auffallen. Auch Gäste könnten zum Management gehen und sagen: „Ich glaube, hier läuft was falsch“, so Winchenbach. Es gelte, Beobachtungen zu schildern und dann in den Dialog einzutreten und im Zweifel ernste Übergriffe den zuständigen Behörden zu melden. Positive Erfahrungen mit Mitarbeitern erwähnen, inklusive Feedback ans Management und auch online. Kritik am Service sollte man höflich und sachlich anbringen. Es kann immer mal etwas schieflaufen. „Es ist aber schwer, eine Lösung zu finden, wenn der Gast rumschreit“, sagt Winchenbach.
In einigen Hotels können Mitarbeitende mitentscheiden
Leider sei der Satz „Der Gast ist König“ immer noch die international vorherrschende Arbeitsphilosophie. „Natürlich wollen wir, dass der Gast zufrieden ist – aber eben nicht um jeden Preis und schon gar nicht zu Lasten der Angestellten“, so Winchenbach.
Gute Alternativen seien Hotels, die sich ganz der Gemeinwohlökonomie verschrieben hätten. Das bedeute etwa, dass die Mitarbeiter am Gewinn beteiligt seien und bei Entscheidungen Mitspracherecht hätten.
Winchenbach: „Hier merkt der Gast, dass etwas anders läuft. Hier kann er König sein – obwohl oder vielleicht gerade weil das Unternehmen von der extremen Bedienmentalität abgerückt ist.“