Torsten Koehler setzt sich für Aufklärung bei Hodenkrebs ein

Hodenkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei jungen Männern. Gesprochen wird kaum darüber. Der südafrikanische Aktivist Torsten Koehler will das ändern.

„Männer sprechen nicht über ihre Gefühle und ihre Gesundheit“, hat Torsten Koehler festgestellt. Der deutschsprachige Namibier selbst ist anders aufgestellt. Koehler, früher Lehrer, heute Grafikdesigner und Teilzeit-Reiseführer im südafrikanischen Kapstadt, geht offen damit um, dass er 1995 im Alter von 30 Jahren eine Diagnose erhielt, die sein Leben veränderte: Hodenkrebs. Fußballspieler Sebastien Haller, bei Borussia Dortmund unter Vertrag, war ungefähr gleich alt, als er dieselbe Diagnose erhielt.

In Deutschland ist Hodenkrebs nach Angaben des Krebsinformationsdienstes die häufigste bösartige Tumorerkrankung bei Männern zwischen 25 und 45 Jahren. Nach Schätzung des Robert Koch-Instituts (RKI) erkranken jährlich etwa 4.200 Männer neu daran. Im Unterschied zu anderen Krebserkrankungen sind die Betroffenen in der Regel noch sehr jung. Der jüngste Betroffene, den Koehler kennengelernt hat, war zwölf Jahre alt.

Die gute Nachricht: Die Chance, diese Krankheit langfristig zu überleben und vollständig geheilt zu werden, sind besonders gut, stellt die Deutsche Krebsgesellschaft fest. Man sollte allerdings den Krebs entdecken – und da ist jeder Junge, jeder Mann gefragt.

Als Koehler nach seiner Chemotherapie wieder als Lehrer an seine Schule in Windhoek (Namibia) zurückkehrte, hatte er, wie es selbst sagt, ein Erweckungserlebnis. „Alle die Jungen, die mir täglich auf den Fluren und Gängen begegneten, sind die Risikogruppe für Hodenkrebs und sie wissen es nicht, weil man nicht darüber spricht“, erzählt er.

Im Biologie-Unterricht machte er daher seine Schüler und Schülerinnen darauf aufmerksam, dass sich die Mädchen einmal im Monat die Brust abtasten sollen im Hinblick auf Veränderungen. Das gleiche gelte für Jungen, die ihre Hoden durch Tasten abchecken sollen.

„Ich bin 16 Jahre alt und Sie haben mir das Leben gerettet, weil Sie uns aufgeklärt haben“, sagte ihm 2006 ein ehemaliger Schüler. Deswegen sei er rechtzeitig zum Arzt gegangen. „Dieser Schüler ist ein Grund dafür, warum ich mit der Stiftung angefangen habe und heute noch an Schulen gehe und jede Gelegenheit dazu nutze, über Hodenkrebs aufzuklären“, sagt Koehler.

2014 gründete er die Stiftung „Love your nuts“ – „Liebe deine Nüsse“, wobei in Deutschland eher der umgangssprachliche Begriff „Eier“ statt „Nüsse“ geläufig ist. Sitz der Stiftung ist in Südafrika, wo Koehler lebt. Wenn er Reisegruppen aus Deutschland durch seine Wahlheimat Kapstadt und die Kapprovinzen führt, erklärt er nicht nur die lokalen Sehenswürdigkeiten, sondern spricht auch über seine Erfahrungen mit der Krankheit in der Absicht, aufzuklären und ein Bewusstsein für Vorsorge zu schaffen.

Um weiterhin an Schulen zu gehen, hat Koehler ein Programm an südafrikanische Verhältnisse angepasst: Damit sollen Kinder lernen, wo sie Hilfe finden können, wenn sie Krebs haben. Oder wie sie Freunde und Familienmitglieder unterstützen können, die erkrankt sind. Sie sollen verstehen, dass Krebs nicht ansteckend ist und man die Betroffene in die Arme nehmen kann. Außerdem, so Koehler, sollen die Kinder lernen, sich gesund zu ernähren und auf ihren Körper zu achten.

Außerdem arbeitet der Aktivist mit Radfahrern und Marathonläufern zusammen. Er hat diese beiden Sportarten ausgewählt, weil viele Männer an Wettbewerben teilnehmen und sie die richtige Altersgruppe haben im Hinblick auf den Krebs. Und: Diese beiden Sportarten sind mit ihren Events stark in den Social Media vertreten, erklärt Koehler.

Die Sportler, die an Events für Koehlers Stiftung teilnehmen, tragen dann eine knappe Badehose, auf der „Love your nuts“ aufgedruckt ist, also der Name der Stiftung. Über den Hashtag #loveyournuts kommt man zu einer Facebook-Seite und zur Stiftung, wo etwa ein Film erklärt, wie man sich selbst untersucht.

Um auch die Menschen in den ländlichen Gebieten Südafrikas zu erreichen, die meist abgehängt sind vom Zugang zu medizinischen Informationen und Versorgung, arbeitet Koehler mit einem Johannesburger Fahrradclub zusammen. Auf ihrer sechs Tage dauernden Tour fahren sie in #Loveyournuts-Wäsche durch die ländlichen Gebiete und verteilen Aufklärungsflyer.

Koehlers Herz hängt an einem Projekt, das noch nicht richtig aus den Startlöchern gekommen ist: einer Gaming App. Als die Corona-Zeit viele Aktionen ausgebremst hatte, hat er ein Spiel entwickelt, in dem Kinder durch den Körper schwimmen wie durch ein Labyrinth. Kommen sie zu einem Organ, erhalten sie Infos zu dem Krebs, den es dort geben kann. Wenn sie Fragen korrekt beantwortet haben, bekommen sie Energiebomben, um den Krebs zu vernichten. „Je besser man das Spiel spielt, desto älter wird man“, sagt Koehler. „Die Idee dahinter ist: Je besser du auf deinen Körper achtest, desto größer ist deine Chance, älter zu werden.“

Er hofft darauf, dass er für diese App die nötige Unterstützung findet. Krankenkassen müssten daran interessiert sein, ist er überzeugt, schließlich könnten sie auf Dauer damit viel Geld sparen.

In Deutschland können Betroffene seit einiger Zeit auf die Stiftung bauen und dort Hilfe erfahren. Ein Hodenkrebs-Überlebender aus Köln hatte Koehler vor einigen Jahren kontaktiert und die Stiftung nach Deutschland gebracht, um Aufklärung zu betreiben. Das Motto: „Ran an die Nüsse! Hodenkrebsaufklärung mit Humor.“