Tod und Verwundung

Über den Lebenskundlichen Unterricht schreibt Thomas Dietl. Er ist Militärpfarrer in Eutin (Schleswig-Holstein).

Militärpfarrer Thomas Dietl
Militärpfarrer Thomas DietlPrivat

Der Lebenskundliche Unterricht gehört zum Alltag von Militärpfarrerinnen und Militärpfarrern. Es handelt sich dabei um Erwachsenenbildung im Bereich von Ethik und Lebensführung, verpflichtend für alle Soldatinnen und Soldaten. Ein Thema, das häufig von Vorgesetzten gewünscht wird, ist „Tod und Verwundung“. Dabei ist es kaum verwunderlich, dass die Teilnehmenden sich nicht gern damit auseinandersetzen. Der Widerstand zu Beginn ist hoch. Allein diesen Widerstand zu thematisieren ist schon ein Einstieg mitten in das Thema. Es ist unangenehm, sich mit der eigenen Verletzlichkeit und Endlichkeit auseinanderzusetzen, besonders in einem Beruf, bei dem Tod und Verwundung dicht und erfahrbar sind.

Im Zentrum eines solchen Seminars können gut Erfahrungs­berichte stehen, medial in Texten oder Filmen vermittelt oder persönlich durch eigene Erfahrungen. In den meisten Gruppen mit erfahrenen Soldatinnen und Soldaten genügt zur ersten Erarbeitung eine medial vermittelte Erfahrung. In der Schilderung eines fremden Menschen fällt es leichter, sich dem Thema zu nähern. Gelingt es, eine Gesprächsatmosphäre zu schaffen, die genügend offen und wertschätzend ist, beginnen die Soldatinnen und Soldaten von eigenen Erlebnissen zu berichten. Nach meiner Erfahrung sind in jeder Gruppe Menschen dabei, die Verwundung selbst ­erlebt haben und auch schon den Tod eines Kameraden erleben mussten. Mit dem Erzählen wird das Schwere und oftmals Unsagbare aufgedeckt und zu etwas, worüber man reden kann. Es entsteht ein Raum, in dem Erfahrungen untereinander geteilt werden.

Verständlicher Einwand

„Was bringt es, darüber zu reden?“, ist ein verständlicher Einwand. Zum einen hilft das Reden Betroffenen aus einer möglichen inneren Isolation. Weiterhin erarbeitet die Gruppe gemeinsam mögliches Vorgehen bei Verwundung oder Tod eines Kameraden. Wie helfe ich am besten verwundeten Kameraden über die Erste Hilfe hinaus? Wie kann ich der Familie helfen? Wie kann ich im Gespräch mit der Partnerin oder dem Partner sie oder ihn am ­besten vorbereiten? Die Bereiche haben Dimensionen von psychischer Hilfe, Beistand, Unterstützung, Trauerverarbeitung bis hin zu finanzieller Absicherung. Im psychosozialen Netzwerk der ­Bundeswehr arbeiten Sozialdienst, Sanitäterinnen und Sanitäter, Truppenpsychologie und Militärseelsorge Hand in Hand, um bestmögliche Unterstützung zu leisten.

Lebensmut und Lebensziele können auch bearbeitet werden, weil eine körperliche oder psychische Verletzung die bisherigen Lebensziele infrage stellt. Mit welchen Strategien bewältigen Soldatinnen und Soldaten ihre Verletzung, was können sie sich vorstellen, könnte ihnen helfen? Hier gibt es keine Patentrezepte, aber Beispiele.

Die Gespräche am Abend sind sehr persönlich, viele Geschichten von eigenen Verletzungen kommen an die Oberfläche. Und wir feiern gemeinsam das Leben.

Unser Autor
Thomas Dietl ist Militärpfarrer im Evangelischen Militärpfarramt Eutin (Schleswig-Holstein).