Tipps rund ums Putzen boomen im Netz – Weibliche Zielgruppe

Viele erleben es eher als lästige Pflicht, doch sogenannte Cleanfluencer vermitteln Bodenschrubben und Staubwischen als Wohlfühlprogramm. Der Alltag sieht oft anders aus.

Kaum werden die ersten Knospen grün, packt viele Menschen die Putzwut: Kleider werden ausgemistet, Fenster poliert, Dachböden aufgeräumt. Laut einer Emnid-Umfrage machen rund 90 Prozent aller Deutschen Frühjahrsputz. Warum gerade in der Zeit vor Ostern Menschen motivierter sind, hat unterschiedliche Gründe: Wer mit guten Vorsätzen fürs neue Jahr gebrochen hat, bekommt im Frühling noch einmal eine neue Chance. Die Frühlings- und Fastenzeit als Phase der inneren Reinigung kann zusätzlich motivieren, unnötigen Ballast abzulegen.

Das Problem: Der Frühjahrsputz ist oft zeitaufwendig und umfasst meistens Dinge, die man im Alltag gerne vor sich herschiebt. Wo also anfangen? Was kann bleiben und was muss in die Tonne? Und wie lässt sich der Frühjahrsputz zeitsparend bewältigen – neben Arbeit, Familie und sonstigen Verpflichtungen?

Diese Fragen beschäftigen offenbar auch das Netz: Immer mehr sogenannte Cleanfluencer geben Putztipps. „Tidy Challenges“ sollen dazu motivieren, Vorsätze über mehrere Wochen einzuhalten. Aufräumen wird dabei oft als seelische Reinigung und neues Lebensgefühl zelebriert: Putzen, so schreibt Instagrammerin Marie Kondo, sei „lebensverändernd“, gar „magisch“. Ihre „Mission“, sei es, „in die Welt durch Putzen Freude zu bringen“.

Videos zeigen Kondo, wie sie im Zeitraffer Geschirrtücher in Schubladen sortiert oder Kinderspielsachen in den Schrank räumt. Ihr Account hat mehr als vier Millionen Follower. Streaming-Anbieter Netflix hat der „Aufräumexpertin“ sogar eine eigene Show gewidmet.

Putzen wird dabei oft zum Teil eines eigenen Lifestyles stilisiert. Cleanfluencerin Sophie Hinchliffe etwa teilt in ihrem Instagram-Account (@mrshinchhome) ihr Leben als Mutter und Bewohnerin eines Bauernhofs im Grünen, mit Hund, Hühnern und Lamas. In ihren Videos gibt sie Stylingtipps und schrubbt mit rotlackierten Fingernägeln die Duschwand. Ihrem Lebensstil hat sie einen eigenen Markennamen gegeben: „Happy Hinching“. Ihr Account hat fünf Millionen Follwer.

Andere Instagrammer konzentrieren sich auf Aufräumtipps für Eltern. Cleanfluencerin Raffaela Römer zum Beispiel wirbt in ihrem Kanal „familie.hoch.vier“ dafür, mit „Planung“ und „Motivation“ Aufräumen in den Familienalltag zu integrieren. Römer ist Mutter von vier Kindern und, wie sie im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagt, auch zu Hause die „hauptsächliche Impulsgeberin“ zum Putzen. In ihrer Elternzeit beschloss sie, neben ihrer Halbtagsstelle selbstständig zu arbeiten. „Irgendwie bin ich beim Thema Haushalt und Putzen gelandet“, sagt sie. „Manche können sich zum Aufräumen nur schwer motivieren. Ich komme damit aber gut klar.“

Als sie ihren Kanal startete, stieß sie auf großes Interesse. Viele ihrer Follower wirkten vom Haushalt überfordert, sagt Römer. „Auch im Frühjahrsputz erwarten sie zu viel. Denen versuche ich zu vermitteln, dass eine Grundordnung manchmal genügt.“

Inzwischen hat sie mit ihrem Instagram-Account 174.000 Follower. „Bye Bye Haushaltsstress“, heißt es dort. In 20-Sekunden-Video-Hacks kratzt Römer Dreck aus der Gummidichtung einer Waschmaschine und sortiert Elektrokabel. Besonders gestressten Müttern ist sie ein Vorbild: Fast 90 Prozent aller Follower, so Römer, sind Frauen, die sich in ihrer Doppelbelastung als Mutter und Berufstätige in Römer als „working mum“ wiederfinden.

Cleanfluencer sind meistens weiblich. Nach Recherchen des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus produzierten im Jahr 2015 rund 15 Prozent der weiblichen YouTuberinnen Videos zum Thema Haushalt, bei den männlichen YouTubern lag der Anteil bei sechs Prozent.

Ausnahmen wie Yohann Dieul (@frenchy_home_cleaning) präsentieren sich als Multitalente, die nicht nur Staub wischen und das Bad putzen, sondern obendrein noch technische Details zu den neuesten Staubsaugermodellen erklären und innerhalb von weniger als einer Minute die Schublade im Schlafzimmer reparieren. Bleibt Putzen also in sozialen Netzwerken eine Frauendomäne?

„Manche Followerinnen beschweren sich über ungerechte Arbeitsverteilung im Haushalt“, sagt Römer. In den Geschlechterrollen sieht sie aber Bewegung. „In meinem Account fragen auch immer wieder Männer nach Tipps“, sagt sie. Ihren Putzfimmel, so sagt sie, habe sie von ihrem Vater übernommen. „Der war zum Beispiel immer total ordentlich.“

Im Frühjahr ist ihr Account gut besucht. „Wenn die Tage länger werden und Frühlingssonne durchs Fenster scheint, werden dreckige Scheiben offensichtlicher“, sagt Römer. „Dann wird der Schmutz unangenehm.“ Viele Followern wünschten demnach, ihren Frühjahrsputz bis Ostern zu beenden: „Dann kommen oft Verwandte zu Besuch.“ Um den Stress in Grenzen zu halten, empfiehlt sie Familien einen Putzplan mit gemeinsam festgelegten Aufgaben. „Notfalls: einfach nur das Sichtbare machen“, sagt Römer. „Was in den Schubladen liegt, kann man auch später im Jahr noch ausmisten.“