Tiefere Bedeutung

Über ein scheinbar prägnantes Sprichwort schreibt Milva Wilkat. Sie ist Pastorin in der Kirchengemeinde Belitz-Jördenstorf bei Rostock.

Jens Schulze / epd

Der Predigttext des kommenden Sonntags lautet: „Die Väter haben saure Trauben gegessen, aber den Kindern sind die Zähne davon Stumpf geworden?“ aus Hesekiel 18, 1-4

„Eine Hand wäscht die andere.“ – „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.“ Das sind nur zwei von unzähligen Sprichwörtern, die gewiss dem einen oder anderen schon mal über die Lippen gekommen sind. Dabei ist ja das Besondere an Sprichwörtern, dass sie in kurzer, prägnanter Form Lebensregeln sowie Lebenserfahrungen ausdrücken und sich somit in ihren bildreichen Worten eine tiefere Bedeutung verbirgt. Diese verborgene Bedeutung lernt man vor allem im Umgang mit ihnen kennen, wenn sie in bestimmten Situationen hörbar von einer Generation an die nächste weitergegeben werden.

So scheinbar auch das Sprichwort, das heute im Mittelpunkt steht. Was steckt hinter den sauren Trauben und den stumpfen Zähnen? Augenscheinlich die Erfahrung einer Generation, dass sie die Suppe auslöffeln muss, die ihnen Generationen vor ihnen eingebrockt hat. Es spricht von dem Ungerechtigkeitsempfinden, dass aufgrund des Verhaltens der einen die anderen im Nachhinein noch die Konsequenzen tragen müssen. Die Frage der Generationengerechtigkeit, ein Thema aktueller denn je, wenn wir aufs Klima, politische Entwicklungen, Krisenherde und schrumpfende Ressourcen blicken. Doch Schuldzuweisungen, von einer Generation an die andere, werden meiner Meinung nicht weiterhelfen. Im Gegenteil, sie werden nur weiter einen Keil zwischen die Menschen treiben.

So stellte Gott sich gegen das Sprichwort, indem er sprach: „Dies Sprichwort soll nicht mehr unter euch umgehen in Israel. Denn siehe, alle Menschen gehören mir …“ Und indem wir zu Gott gehören, sind wir für unser Handeln und unsere Lebensweise vor Gott verantwortlich als auch dazu angehalten, verantwortungsvoll mit Blick auf unsere Nächsten und die nachfolgenden Generationen zu handeln. Und wo wir doch falsch lagen oder liegen, mögen wir einander dafür nicht verurteilen, sondern die Fehler vergeben, wie Gott uns vergibt, wenn wir ihn darum bitten. Denn wir alle gehören ihm.

Unsere Autorin
Milva Wilkat ist Pastorin in der Kirchengemeinde Belitz-Jördenstorf bei Rostock.

Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Dienstag.