Therapeut: Junge Menschen ausgebrannt durch Ziellosigkeit

Obwohl viele junge Menschen objektiv weniger Druck hätten als frühere Generationen, fühlten sie sich belasteter, sagt Klinik-Chefarzt Prof. Andreas Hillert. Ihnen fehlten tragfähige Ziele.

Wenn sich junge Menschen ausgebrannt fühlen, liegt das nach Angaben von Psychotherapeut Andreas Hillert häufig weniger an Überarbeitung als am Gefühl einer Orientierungslosigkeit. Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erklärte der Chefarzt der Schön Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee: “Sich ausgebrannt zu fühlen galt seinerzeit als Folge von langjähriger Überarbeitung. Wenn sich heute viele junge Menschen ausgebrannt fühlen, muss das andere Ursachen haben. Unseren Studien zur Folge spielt Orientierungslosigkeit dabei die größte Rolle.”

Die Generation der Babyboomer – zwischen 1946 und 1964 geboren – sei mit anderen Rahmenbedingungen als die sogenannte Gen Z ins Berufsleben gestartet. Zu ihr gehören Menschen die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden. “Nur wer was leistet, ist etwas wert – das prägte damals junge Menschen”, sagte Hillert, der auch Autor mehrerer Bücher zum Thema Burn-Out ist. “Man musste um jeden Ausbildungsplatz kämpfen. Konkurrenz und Wettbewerb waren selbstverständlich.”

Natürlich gebe es auch heute noch junge Menschen, die leistungsorientiert aufwachsen würden. “Aber es gibt eben auch größere Gruppen die programmatisch im ,Hier und Jetzt’ leben und hedonistisch, also eher spaß- und szeneorientiert, sind.” Die Babyboomer und ihre nachfolgenden Generationen seien vom Leistungsdruck geprägt worden und möchten laut Hillert “ihren Kindern die damit verbundenen Nachteile ersparen”. “Die Kinder sollen es besser haben – und konsequenterweise machen sie ihnen wenig Druck”, erklärte Hillert.

Zu dieser “Kuschelkurs”-Erziehung käme der Demografie-Wandel: “Arbeitgeber bemühen sich um die jungen Arbeitnehmer”, so der Experte. Obwohl sie objektiv weniger Druck haben, fühlten sich zumal “Hedonisten” unter den jungen Menschen belasteter als eher ziel- und leistungsbezogen sozialisierte Altersgenossen. Sie kämen häufiger als Patienten in die Schön Klinik Roseneck, die auf psychische und psychosomatische Erkrankungen spezialisiert ist, berichtet Hillert. Er erklärt weiter: “Ihnen fehlen letztlich längerfristig tragfähige und hinreichend konkrete Ziele. Wer nicht weiß, wofür es sich lohnt gesund zu werden, der hat es schwerer zu genesen.”

Der Psychotherapeut ist überzeugt, dass Menschen, die ein Ziel vor Augen haben, leistungsfähiger sind. Die Generation der Babyboomer hätte es, was die Ziele anbelangt, einfacher gehabt, räumt Hillert ein: “Sie hatten weniger Auswahl und mehr sozialen Druck, sich Ziele zu setzen. Entsprechend hatten sie dann auch persönliche Ziele jenseits von ,Ich will gesund und glücklich sein’.”