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Theologin sieht Einbruch des traditionell christlichen Glaubens

Religion werde in Österreich mehr und mehr als eine primär private Angelegenheit verstanden, hat eine große Studie herausgefunden. Aber auch: Die Jugend steht Glaubensthemen offener gegenüber – und nicht nur Muslime.

Die Wiener Theologin Regina Polak beobachtet eine Vereinzelung (“Singularisierung”) des Glaubens in Österreich. Aus theologischer Perspektive müsse man “von einem gewaltigen Einbruch des traditionell christlichen Glaubens sprechen”, sagte Polak dem Magazin “Publik-Forum” (Freitag). Religion werde mehr und mehr als eine primär private Angelegenheit verstanden. Polak, Professorin für Praktische Theologie an der Universität Wien, ist Mitautorin der repräsentativen Studie “Was glaubt Österreich?” mit mehr als 2.000 Teilnehmenden.

Österreich sei weder religionslos noch religionsfeindlich, führte Polak aus. 22 Prozent der Befragten sagten demnach, sie glaubten an Gott, 36 Prozent glaubten an “ein höheres Wesen, eine geistige Macht oder Energie”. Die christliche Gottesvorstellung sei ihnen aber zu eng. Die Alternativen ließen sich freilich nicht als ein kohärenter oder konsistenter Glaube beschreiben.

Einen generellen Einfluss von Religion auf ethische Entscheidungen sieht die Theologin nicht. Allerdings blickten Menschen, die sich als religiös bezeichnen, anders auf die Fragen von Lebensanfang und -ende. Sie lehnten mehrheitlich Abtreibung und assistierten Suizid ab; und sie seien “tendenziell homophober und in Fragen der Sexualität weniger liberal”.

Als überraschend bezeichnete Polak, dass die Altersgruppe der 14- bis 25-Jährigen deutlich religiöser sei als die vorangehenden Kohorten. Zwar könne man nicht von einer Trendwende oder einer Gegenbewegung sprechen; doch in dieser Altersgruppe verschiebe sich seit der Corona-Pandemie etwas.

Das liegt nach ihren Worten auch, aber nicht nur an muslimischer Zuwanderung. Der Trend zeige sich in allen Konfessionen und Religionen. Dass die Jüngeren deutlich unbefangener seien, was Religion betrifft, “ist zum Teil ein Lifestyle-Phänomen und hat mit Social Media zu tun”. Religion sei aber “auch zu einem Identitätsmarker geworden, im Sinne der Zugehörigkeit, aber auch der Abgrenzung”.

Andere Jugendstudien zeigten, so Polak, dass junge Leute oft auch nicht den Anspruch hätten, sich intellektuell mit dem Glauben auseinanderzusetzen. Die Theologin: “Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass man in unsicheren Krisenzeiten nicht auch noch religiös verunsichert werden möchte.”