“Terminator Zero” ist bereits der achte Ableger des Cyborg-Thrillers und doch eine Innovation. Denn Netflix ließ die Serie in Japan zeichnen. Nur eine Möglichkeit unter vielen, erfolgreiche Filmstoffe weiterzuspinnen.
Künstliche Intelligenz ist in aller Munde. Ob KI klüger sein kann als der Mensch oder nur so klug, wie er es zulässt. Ob sie ihm eher hilft oder schadet. Ob uns die AI, wie es auf Englisch heißt, also freundlich oder feindlich gesonnen ist – all das wird gerade heftig diskutiert. Während fortschrittsgläubige Frohnaturen der Meinung sind, ihre Vor- überwögen die Nachteile, beschwören fortschrittsskeptischere Schwarzseher das Gegenteil. Mattson Tomlin und Masashi Kudo zählen da offensichtlich zur zweiten Kategorie.
Geht es nach dem Showrunner und seinem Regisseur, hat KI bereits 2022 eine Tyrannei der Technik entfesselt, die auf dem blutigen Weg zur Weltherrschaft jedes Leben vernichtet. Um menschliche Gegenwehr buchstäblich im Keim zu ersticken, schickt sie einen Cyborg 15 Jahre zurück durch Zeit und Raum – mit dem Ziel, künftige Gegner frühzeitig auszuschalten. Klingt vertraut? Ist ja auch Teil einer Hollywood-Legende. Sie trägt den Titel “Terminator” und wurde 1984 für bescheidene 6,4 Millionen Dollar gedreht.
James Cameron, der später 1997 fürs 83-fache dieses Budgets die “Titanic” versinken ließ, hat darin einen Bodybuilder aus Österreich vom atomkriegszerstörten Jahr 2029 über knapp 50 Jahre nach 1984 teleportiert, um die Zukunft der Maschinendiktatur in ihrer Entstehungsphase zu sichern. Und das ist Arnold Schwarzenegger trotz und wegen der finanziell wie schauspielerisch limitierten Mittel so profitabel gelungen, dass es gleich sieben verschiedene Fortsetzungen gab.
Man nennt solche Ableger im Fortsetzungsgewächshaus auch Spin-Off oder Remake, Franchise oder Reboot, Prequel oder Sequel, Hommage oder Persiflage. Sie docken mal vor, meist hinter, teilweise sogar in der Originalerzählung an, um ihren Erfolg weiterzuspinnen oder auszuschlachten, oft gleich beides. Und weil sich Camerons Terminator von Beginn an perfekt vermarkten ließ, stieg er im achten Teil “Dark Fate” sogar als Produzent wieder ein und verkaufte die Lizenzrechte weiter nach Japan.
Dort haben Mattson Tomlin und Masashi Kudo nicht nur beschlossen, den legendären Cyborg im Manga-Stil kullernder Augen und farbenfroher Melancholie Richtung Vergangenheit zu schicken; sie wildern auch im gesamten Fundus der SciFi-Saga: Weil der amerikanische Unternehmer Malcolm Lee 1997 in Tokio eine KI erfindet, die den entfesselten Cyborgs seiner eigenen Firma Skynet 35 Jahre später Paroli bieten könnte, hetzen sie ihm “Terminator Zero” aus einer dystopischen Zukunft auf den Hals – gefolgt von der Untergrundkämpferin Eiko, die Lee und seine Kinder beschützen soll.
Das erinnert – vom Massaker in der Polizeistation bis zum zweifelnden Ingenieur des Bösen – verteufelt an die ersten zwei Terminatoren. Im Auftrag von Netflix Animation bedienen sich Production I.G. und Skydance Television für achtmal 30 Minuten aber ebenso eifrig bei späteren Spin-Offs.
Abseits vom Zeichentrick fügt die zweite Fernsehserie nach “Sarah Connor Chronicles” von 2008 dem Bestand also kaum Neues hinzu. Darum geht es allerdings auch nur am Rande; wichtiger sind Sehgewohnheiten, Ausspielwege, Kundenbindung – und die Popkultur.
In der nämlich wurden praktisch alle Geschichten so häufig erzählt, dass originelle im Sinne von Originalen selten sind. Einerseits. Andererseits birgt jede Abweichung vom Bewährten die Gefahr, mit der Stammklientel auch Investoren zu vergraulen. Während die Kino-Charts daher fast nur noch aus Abwandlungen zugkräftiger Superhelden mit einer Prise Pixar bestehen, geben ARD und ZDF fast ausnahmslos Krimis in Auftrag, RTL vornehmlich Trash-TV und Netflix x-te Staffeln verlässlicher Erfolge.
Weil Streamingdienste vielfach Teil milliardenschwerer Entertainment-Konzerne sind, könnten sich Portale von Apple über Amazon bis hin zum Sky-Betreiber Comcast dabei eigentlich von Formatzwängen freier machen. Ein gewisser Unterhaltungspragmatismus verleitet aber auch sie zur Wiederholung in Endlosschleife. Deshalb werden reihenweise Videospiele wie “The Last of Us” oder “Fallout” zu Fantasy-Serien erweitert. Deshalb kriegt gefühlt jeder dritte Nebendarsteller aus “Star Wars” irgendwann sein eigenes Format.
Deshalb läuft gerade der achte “Alien”-Ableger im Kino und der 25. “Star Trek”-Auswurf bei Paramount. Deshalb gibt es gelungene Serienadaptionen populärer Filme wie “Fargo” oder missratene Filmadaptionen populärer Serien wie “Sex and the City”. Und natürlich boomt deshalb die Animation leibhaftiger Charaktere – oder umgekehrt.
Schließlich eröffnet ein so grundsätzlicher Wechsel der künstlerischen Mittel frische Perspektiven – das zeigen die Realversionen gezeichneter Disney-Evergreens von “101 Dalmatiner” bis “Mulan” ebenso eindrucksvoll wie die kodierten “Clone-Wars” im Kosmos der Sternenkrieger. Schon 1975 gab es schließlich eine Trickfilmserie vom “Planet der Affen”, dem dieses Jahr Fortsetzung Nummer 10 bis 11 zuteilwerden. Und nun also “Terminator Zero” – eine äußerst brutale, aber melancholische, leicht psychedelische Spielart menschlicher Materialschlachten a la “Genisyis”, Baujahr 2015.
Ob Tomlin und Kudo neun Jahre später der Mix aus Spin-Off und Remake, Franchise und Reboot, Prequel und Sequel, Hommage und Persiflage im Manga-Style gelingt, ist dabei Geschmackssache. Anders als zwölf Fortsetzungen der Raserei “The Fast and the Furious” inklusive Animationsserie, entwickelt das Ganze allerdings durchaus Eigensinn und wird in der Anime-Szene definitiv Fans finden. Also gesicherte Zugriffszahlen. Netflix dürfte das sehr genau kalkuliert haben.