Selbst die Grundversorgung scheitert in vielen Fällen: Eine steigende Zahl von Menschen hierzulande ist nicht krankenversichert. Das Problem trifft auch Kinder, Rentner oder verschuldete Menschen.
Zahlreiche Menschen haben keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung: Das zeigt ein Report der Organisation Ärzte der Welt am Freitag. “Deutschland versagt, wenn es darum geht, das Recht auf medizinische Versorgung für alle hier lebenden Menschen sicherzustellen”, kritisierte der Leiter der Inlandsprogramme von Ärzte der Welt, Christian Stegmüller. So steige die Zahl der Menschen ohne Krankenversicherung; mangelhaft versorgt seien aber auch Personen, die Schulden bei der Krankenversicherung hätten.
Der Report beruht laut Angaben auf Daten aus Ärzte-der-Welt-Praxen und -Behandlungsbussen in Berlin, Hamburg und München. In diesen Städten wurden im vergangenen Jahr demnach 2.254 Patientinnen und Patienten in 7.403 Konsultationen kostenfrei behandelt und beraten, davon 1.133 zum ersten Mal. Fast alle (97 Prozent) seien armutsgefährdet gewesen, 88 Prozent ohne festen eigenen Wohnsitz und ein Viertel (26 Prozent) obdachlos. Das Leben auf der Straße oder in Gemeinschaftsunterkünften begünstige verschiedene Erkrankungen – etwa Atemwegserkrankungen, die am häufigsten diagnostiziert wurden.
88 Prozent der Betroffenen waren demnach nicht krankenversichert; neun Prozent hatten einen eingeschränkten Versicherungsschutz, “vor allem aufgrund von Beitragsschulden bei der Krankenkasse oder durch Einschränkungen des Asylbewerberleistungsgesetzes”. Wer mit den eigenen Beiträgen zwei Monate im Rückstand sei, bekomme häufig keine bedarfsgerechte Versorgung – etwa, weil die elektronische Gesundheitskarte gesperrt werde.
Menschen jeden Alters, Geschlechts und soziokulturellen Hintergrundes nähmen entsprechende Angebote in Anspruch, hieß es weiter. 2024 seien etwas mehr neue Patienten männlich gewesen (53 Prozent). Acht Prozent der Behandelten seien deutsche Staatsangehörige gewesen; insgesamt seien 96 Staatsangehörigkeiten vertreten gewesen. 13 Prozent der Behandelten lebten demnach von Sozialleistungen und 9 Prozent von einer regulären Arbeit, Rente oder Pension.
Bei fast der Hälfte der behandelten Minderjährigen (45 Prozent) habe es sich um Kinder unter fünf Jahren gehandelt – insgesamt 56. Zudem hätten 97 schwangere Frauen die Erstvisiten besucht, ein Drittel von ihnen (37 Prozent) in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft.
Den Angaben zufolge gibt es in Deutschland über 100 Einrichtungen, die Menschen ohne Zugang zu regulärer Gesundheitsversorgung helfen. Ziel sei auch, alle Menschen in das reguläre Gesundheitssystem zu integrieren. Dies sei aufgrund der aktuellen Gesetzeslage jedoch nicht für alle möglich, etwa für Erwerbslose, die seit weniger als fünf Jahren in Deutschland leben. Sie machten zuletzt laut Report ein Viertel (27 Prozent) der Behandelten aus.
Im vergangenen Jahr konnten über Ärzte der Welt demnach 158 Personen in die Regelversorgung eingegliedert werden. Jedoch bräuchten Betroffene wegen Sprachbarrieren oder bürokratischer Hürden fast immer Unterstützung – und oft dauere es Monate, bis sie regulär versichert seien.