“Tanze Tango mit mir”: ARD-Komödie über Midlife-Crisis

Ohne Ambitionen wurschtelt Frank sich durch sein Leben. Da entdeckt er den Tango für sich – und gibt seinem Leben neue Struktur. Eine ARD-Komödie mit glaubwürdigen Protagonisten.

Maresa (Kara Wenham, Mitte) überprüft die Tangohaltung bei Frank (Michael A. Grimm) und Julia (Amanda da Gloria)
Maresa (Kara Wenham, Mitte) überprüft die Tangohaltung bei Frank (Michael A. Grimm) und Julia (Amanda da Gloria)BR / die film gmbh / Hendrik Heiden

Frank Lehmann hängt durch. Der Mann im mittleren Alter (Michael A. Grimm) schiebt als Aushilfspförtner in den Münchner Kammerspielen eine ruhige Kugel und lässt sich ansonsten von seiner Familie als etwas lethargisches Mädchen für alles herumkommandieren. Kurz: Frank hat offenbar jeglichen Ehrgeiz und jegliche Selbstachtung verloren. Dass ihm das von seiner den Familienunterhalt verdienenden Frau Kathrin (Eva Meckbach), der pubertierenden Tochter (Lilith Kampffmeyer) und vor allem seiner Schwiegermutter (herrlich biestig: Gaby Dohm) ständig unter die Nase gerieben wird, scheint an seiner immer dicker werdenden Plauze einfach abzuperlen. Franks Motivationslosigkeit ist an seinem spannungslosen, trägen Körper deutlich abzulesen.

Doch dann entdeckt Frank den Tango für sich – und richtet sich auf. Und zwar sprichwörtlich. Von diesem Prozess erzählt die Komödie “Tanze Tango mit mir” aus dem Jahr 2021, die die ARD am Mittwoch, 21. August, um 20.15 Uhr zeigt. Als eine Truppe im Theater probt, ist der Pförtner fasziniert: von der gepflegten Eleganz und dem sichtbaren Stolz der Tänzer und Tänzerinnen, der melancholischen Musik, den erotischen Dynamiken im Raum. Diese Kontrolle über seinen Körper – dabei mitgemeint ist natürlich und vor allem: sein Leben – möchte er auch (wieder) haben.

Frank Lehmann schreibt sich im Tanzstudio ein

Also schreibt er sich in einem Tanzstudio ein und findet dort eine ebenso gestrenge wie motivierende Lehrerin. Schon bald steckt er jede freie Minute in den Tango, verheimlicht das aber vor der Familie. Schließlich soll er seine Zeit nutzen, um eine “richtige” Arbeit zu finden. Noch wichtiger aber: Frank hatte unlängst einen Herzinfarkt. Ein “schwaches Herz” diagnostiziert der Arzt, das unbedingt geschont werden soll. Als sein Hobby, das längst zur lebensverändernden Leidenschaft geworden ist, auffliegt, ist der Zoff also programmiert…

Die Grundzüge der Story sind erwartbar: Mit viel Herz und Ausdauer wird Frank seine Familie bis zum Happy End davon überzeugen müssen, dass Tangotanzen ihn zu einem besseren Menschen macht. Aber wie der von Peter Güde und Matthias Fischer geschriebene Film das erzählt, ist wahnsinnig komisch, anrührend und sympathisch. In enorm pointenreichen Szenen und Dialogen werden hier in Windeseile ganz und gar überzeugende Konstellationen und Konflikte hingetupft: Mit absurden Überzeichnungen und reichlich trocken-lakonischem Humor wird da ein leicht prekäres und im Umgang eher ruppiges Milieu gezeichnet, hinter dessen herber Fassade sich viel Zuneigung und Loyalität verbergen.

Ein Münchner Soziotop, das dem ungleich verbreiteteren Schickeria-Klischee konträr entgegensteht. Und dem schon oft gehuldigt wurde in Film und Fernsehen: “Tanze Tango mit mir” mit seinen kleinbürgerlichen, bodenständigen, derben, klugen und widerspenstigen Figuren fügt sich da wunderbar ein in eine lange Tradition, zu deren bekannteren Vertretern etwa die BR-Klassiker “Münchner Gschichten” und “Zur Freiheit” zählen.

ARD-Komödie mit gutem Sinn für Timing

Das ist denn – neben den durchaus atmosphärischen Tango-Szenen – auch das Hauptvergnügen an dem von Filippos Tsitos mit gutem Sinn für Timing inszenierten Film: den glaubwürdigen Protagonisten bei ihrem liebevoll skizzierten Alltag und ihrer “Beziehungsarbeit” zuzusehen, allen voran dem von Michael A. Grimm und Eva Meckbach gespielten Paar Frank und Kathrin. Letztere sind offenbar als Hommage an Sven Regeners nach den Hauptfiguren seines Romans “Herr Lehmann” benannt, dem literarischen Porträt eines Antriebslosen.

Frank und Kathrin sind toll als langjährige Liebende, die sich wohlgesonnen sind und dennoch ein bisschen aneinander verzweifeln. Vor allem Kathrin fällt auf als lebensechte, sehr lässige Figur, die vermeintlich Widersprüchliches auf sich vereinen darf: tapfer und resigniert, fordernd und gebend, vernünftig und irrational. Doch auch Frank ist ein wunderbarer Charakter, glaubwürdig in seiner anfänglichen Wurschtigkeit wie in seinem später entfachten Ehrgeiz. Ein durch und durch schöner Film also darüber, wie die richtige (Körper-)Haltung unser Leben prägt.

“Tanze Tango mit mir”, Mittwoch, 21. August, um 20.15 Uhr in der ARD. Ab sofort in der Mediathek.