Taizé-Prior zu Missbrauch: Zuerst auf Betroffene hören

Den Betroffenen sexualisierter Gewalt mehr Aufmerksamkeit schenken. Das will Frère Matthew, der Prior von Taizé. Was aus seiner Sicht zu tun ist.

Der Prior der christlichen Bruderschaft von Taize, Frere Matthew
Der Prior der christlichen Bruderschaft von Taize, Frere Matthewepd-Bild/ Tamino Petelinsek/ KofC

Frère Matthew, der Prior von Taizé, hat betont, dass es im Umgang mit sexualisierter Gewalt im religiösen Umfeld entscheidend ist, den Stimmen der betroffenen Menschen zuerst und vorrangig Aufmerksamkeit zu schenken. „Wir können versuchen, aus der Vergangenheit zu lernen, indem wir den Betroffenen zuhören“, sagte der Leiter der christlichen Bruderschaft im französischen Burgund dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Uns geht es darum, zerstörtes Vertrauen wieder aufzubauen. Und das ist nie einfach.“

2019 veröffentlichte die Gemeinschaft eine Erklärung mit dem Titel „Unser Bemühen um Wahrhaftigkeit“, in der darauf hingewiesen wurde, dass es zu mehreren Fällen von sexualisierter Gewalt durch Brüder der Gemeinschaft gekommen sei. Im Laufe der Zeit wurde diese Erklärung mehrmals aktualisiert. Mittlerweile erarbeitet ein unabhängiges Meldeteam, das von den Brüdern beauftragt wurde, einen jährlich erscheinenden Tätigkeitsbericht. Als eine von mehreren Maßnahmen wurde im Jahr 2010 eine Internetseite mit Informationen zum Schutz von Personen sowie eine eigene E-Mail-Adresse eingerichtet, die es erleichtern soll, Übergriffe zu melden.

„Wir können keine Ereignisse entschuldigen, die nicht hätten passieren dürfen“

Frère Matthew, der Ende 2023 das Amt des Priors von Frère Alois aus Deutschland übernommen hatte, erklärte: „Wir können keine Ereignisse entschuldigen, die eigentlich nicht hätten passieren dürfen.“ Er betonte die ständige Lernbereitschaft: „Wir sind immer im Prozess des Lernens. Sobald wir glauben, alle Fragen beantwortet zu haben, machen wir einen großen Fehler.“ Der Prior, der 1965 in Pudsey, Großbritannien, als Andrew Thorpe geboren wurde, unterstrich jedoch auch: „Das Wichtigste ist zu begreifen, dass wir das, was zerbrochen ist, nicht vollständig reparieren können. Diese Realität müssen wir akzeptieren.“

 

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Zu weiteren Schutzmaßnahmen vor Übergriffen sagte Frère Matthew dem epd: „Die Brüder durchlaufen kontinuierliche Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen. Bei Ankunft in Taizé erhalten unsere Freiwilligen eine Einführung zum Thema Personenschutz. Außerdem findet jede Woche ein Workshop für die Gäste statt, in dem wir diese Fragen diskutieren und in einen Dialog mit den Gästen treten. So können wir heute angemessener handeln, um dadurch diesen Ort für alle sicherer zu gestalten.

Die ökumenische Bruderschaft von Taizé wurde in den 1940er Jahren von dem reformierten Theologen Roger Schutz (1915-2005) in dem kleinen Dorf Taizé bei Cluny in Südburgund (Frankreich) gegründet. Die Kommunität inspiriert seither Tausende Jugendliche. Bekannt sind die großen Jugendtreffen zum Jahreswechsel in einer europäischen Hauptstadt.