Tagung des evangelischen Kirchenparlaments in Würzburg gestartet

Kein Wort zu Missbrauch: Die evangelische Synode beginnt mit einem Gottesdienst zum Thema Migration. Dennoch will das Kirchenparlament auch über sexualisierte Gewalt debattieren – und Beschlüsse fassen.

“Die Zeit zu beginnen ist jetzt, der Ort für den Anfang ist hier.” Mit diesem Lied begann am Sonntag in Würzburg der Eröffnungsgottesdienst zur Tagung des bundesweiten evangelischen Kirchenparlaments, der Synode. Zahlreiche Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Kirche würden diese Aussage wohl unterschreiben. Wünschen sich viele doch eine schnellere Aufarbeitung und harte Gegenmaßnahmen.

Doch Missbrauch war im Gottesdienst in der Kirche Sankt Stephan kein Thema. Stattdessen ging es um Migration: Eine in Deutschland lebende Iranerin erzählte von ihrer Flucht. Eine Parlamentarierin berichtete von einer Reise nach Griechenland in diesem Sommer, wo sich Kirchenvertreter auf der Insel Kos über die Situation von Geflüchteten informiert hätten. Und ein weiterer Parlamentarier brachte die Position der deutschen Kommunen ein, die vielfach mit der Aufnahme von Geflüchteten überfordert seien.

“Migration, Flucht und Menschenrechte” ist das selbstgewählte Schwerpunktthema der Synode, die bis Mittwoch in Würzburg tagt. Die 128 Delegierten wollen ihre Position zu dem Thema verfestigen. Synodenpräses Anna-Nicole Heinrich mahnte zum Auftakt des offiziellen Teils die Einhaltung der Rechte von Geflüchteten an. “Als Kirche ist unsere Überzeugung, dass alle Menschen Ebenbilder Gottes sind”, so die Parlamentschefin. “Davon zu sprechen und dafür einzustehen, ist unsere Aufgabe als Christinnen und Christen.”

Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Kirsten Fehrs, betonte, dass die Kirche am Kirchenasyl für Geflüchtete festhalte. “Entgegen aller politischen Trends werden wir immer wieder sagen: Es geht um Menschen, nicht um Zahlen.”

Derzeit werde enggeführt über Migration gesprochen, so Fehrs. Im Mittelpunkt stünden Abschreckung und Abschiebung: mehr Grenzkontrollen, mehr Rückführungen, die Streichung von Sozialleistungen oder gleich des ganzen Grundrechts auf Asyl. “Ich finde diese heiß-laufende Debatte so gefährlich, weil sie suggeriert, dass geflüchtete Menschen grundsätzlich eine Bedrohung seien.”

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, lobte in einem Grußwort die Schwerpunktsetzung. “Das ist das Thema unserer Zeit, auf das es keine einfachen Antworten gibt, auch wenn uns das viele von den Rändern des politischen Spektrums so gerne weismachen wollen.”

Das Migrationsthema wird die Synode vor allem am Dienstag beschäftigen. Dann sollen unter anderem die Migrationsexpertin Petra Bendel und Flüchtlingshelfer zu Wort kommen. Ebenfalls am Dienstag soll ein neuer Vorsitzender des Rats der EKD gewählt werden, der die evangelische Kirche in der Öffentlichkeit vertritt. Beobachter gehen davon aus, dass Fehrs in diesem Amt, das sie bisher nur kommissarisch bekleidet, offiziell bestätigt wird.

Um sexualisierte Gewalt geht es am Montag. Es ist das erste Mal seit der Vorstellung der bundesweiten Missbrauchsstudie für Kirche und Diakonie im Januar, dass die Synode zusammenkommt. Nachdem Kirchenvertreter gemeinsam mit Betroffenen zehn Monate lang im sogenannten Beteiligungsforum über die Studienergebnisse beraten haben, soll das Kirchenparlament erste Anti-Missbrauch-Maßnahmen beschließen.

Fehrs versprach am Sonntag, dass Missbrauch in der evangelischen Kirche beharrlich aufgearbeitet werde. “Wir versuchen nach Kräften, Menschen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben, gerecht zu werden.” Die Bischöfin räumte ein: “Dabei machen wir auch Fehler.”

Änderungen im Disziplinarrecht und eine Reform der Gewaltschutzrichtlinie will die Synode in der laufenden Tagung beschließen. Die Schaffung eines bundesweit einheitlichen Verfahrens für Anerkennungszahlungen an Betroffene braucht indes noch Zeit. Das Vorhaben erfordere viel Detailarbeit, erklärte Fehrs vor Journalisten.

Dass Betroffene von Missbrauch im Eröffnungsgottesdienst nicht zu Wort kamen, begründete Präses Heinrich mit unterschiedlichen Bedürfnissen der Betroffenen. “Es gibt Betroffene, denen das Halt gibt. Aber auch solche, denen das schwer fällt.” Heinrich versicherte: “Das Thema zieht sich durch die ganze Synode.”